Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 24.03.1992; Aktenzeichen 316 O 172/91)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 16, vom 24. März 1992 – 316 O 172/91 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Durch dieses Urteil wird die Klägerin in Höhe von DM 13.177,26 beschwert.

 

Gründe

Die verfahrensrechtlich einwandfreie Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht wegen fehlender sachlicher und örtlicher Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen.

Das Landgericht hat den zwischen den Parteien bestehenden Vertrag mit Recht als Mietvertrag über Wohnraum angesehen. Die Bezeichnung als Pachtvertrag entspricht nicht den rechtlichen Gegebenheiten. Auf die zutreffenden Gründe des landgerichtlichen Urteils wird insoweit verwiesen.

Handelt es sich somit bei dem Vertrag zwischen den Parteien um einen Mietvertrag über Wohnraum, ist § 29 a ZPO grundsätzlich anzuwenden. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 29 a Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

1. Bei dem an den Beklagten vermieteten Ferienhaus handelt es sich nicht um Wohnraum, der nur zu vorübergehendem Gebrauch vermietet ist (§ 29 a Abs. 2 ZPO i.V.m. § 556 a Abs. 8 und § 564 b Abs. 7 Nr. 1 BGB). Die Auslegung dieser Ausnahmevorschrift (gleichlautend auch in § 10 Abs. 3 Nr. 2 MHG) ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Das Landgericht hat sich der überwiegend vertretenen Auffassung angeschlossen, wonach langfristige Verträge über die dauerhafte Anmietung von Ferienhäusern bzw. -Wohnungen nicht als Vermietung zu vorübergehendem Gebrauch gewertet werden können (s. z. B. Sternel, MietR., 3. Aufl. 1980, III 504; Schmidt/Futterer/Blank, WohnraumSchG., 6. Aufl. 1988, RZ C 563; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 6. Aufl. 1991, RZ 55 zu § 556 a; LG Hanau, MDR 1980, 849, LG Lübeck WuM 1989, 632).

Der Senat tritt dem jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung bei: Von der Berufungsführerin wird zwar mit Recht hervorgehoben, daß es nicht allein auf eine Wortlautinterpretation ankommen kann und daß die Vertragsdauer nicht unbedingt entscheidendes Gewicht haben muß (s. BVerfG. NJW 1979, 757). Die zutreffende Anknüpfung an die typische Schutzwürdigkeit der Mieterposition führt aber hier zur Anwendung der Regelungen des sozialen Mietrechts. Diese sollen die Wohnung in ihrer überragenden Bedeutung als Lebensmittelpunkt des menschlichen Daseins schützen (Begründung zum Gesetzentwurf des zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes – Bundestagsdrucksache VII, 2011, Seite 7).

Entgegen der Auffassung der Berufungsführerin kann auch ein langfristig angemietetes Ferienhaus, in diesem Sinne Lebensmittelpunkt sein. Die in der Literatur geäußerte Rechtsauffassung, es sei rein begrifflich nicht denkbar, daß es mehrere Lebensmittelpunkte geben könne (so z. B. Haake, NJW 1985, 2935; zustimmend Palandt/Putzo, BGB, 51. Aufl. 1992, RZ 10 zu § 564 b), vermag der Senat nicht zu teilen. Der Begriff des Lebensmittelpunktes ist nicht derart eindeutig (s. hierzu auch Reinstoff in Bub/Treier, Handb. der Geschäfts- und Wohnraummiete 1989, RZ I 80; Zimmermann, Kündigungsschutz für Zweitwohnungen und Wochenendhäuser, WuM 1989, 1, 2). Es ist durchaus denkbar, daß – etwa aufgrund beruflicher Umstände – zwei Wohnungen benötigt werden. Jede dieser Wohnungen kann dann, wenn sich der Mieter dort aufhält, jeweils seinen Lebensmittelpunkt darstellen. Für die aus beruflichen Gründen benötigte Zweitwohnung kann es daher nicht zweifelhaft sein, daß der Mieter den Schutz des sozialen Mietrechts genießt.

Aber auch die zu Erholungszwecken genutzte Zweit- oder Ferienwohnung kann Lebensmittelpunkt sein, wenn sie regelmäßig an den Wochenenden und in der Ferienzeit genutzt wird, wobei die Nutzung dann u. U. intensiver sein wird als bei der „Hauptwohnung”, die häufig tagsüber während der Arbeitszeit leer stehen wird (vgl. LG Hanau, MDR 1980, 849). Zutreffend ist auch darauf aufmerksam gemacht worden, daß der Lebensmittelpunkt eines Mieters im Laufe der Zeit mehr und mehr von einer Wohnung auf die andere verlagert werden kann (LG Lübeck, WuM 1989, 632).

Maßgebend ist nach Auffassung des Senats, daß bei längerfristigen Verträgen, wie dem vorliegenden, der Mieter in aller Regel das Haus mit Möbeln und sonstigen Einrichtungsgegenständen ausstatten und ihm dadurch ein besonderes persönliches Gepräge verleihen wird. Indem sich der Mieter somit regelmäßig unter Einsatz von nicht unbeträchlichen Mitteln ein weiteres Zuhause schafft, entsteht auch eine spezifische Schutzbedürftigkeit (s. Zimmermann, a.a.O., S. 1).

Die von dem Beklagten im vorliegenden Fall im Laufe der Mietzeit vorgenommenen umfangreichen Arbeiten sind ein Indiz dafür, daß in dem Vertrag typischerweise ein wohnliches Einrichten der Mietsache durch den Mieter vorgesehen ist. Ob bei einzelnen der vorgenommenen Arbeiten (Einbau eines zweiten Fußbodens im Erdgeschoßwohnraum, Verkleidung der Wände mit Holzbrettern, ...

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