Leitsatz (amtlich)
Die Zuständigkeitsregelung des Art. 31 Abs. 1 der CMR hat auch dann den Vorrang vor den allgemeinen Zuständigkeitsbestimmungen des EuGVÜ, wenn sich der Beklagte nicht zur Sache einlässt (wie OLG Hamm TranspR 2001, 397; abweichend von OLG Dresden TranspR 1999, 62 und OLG München TranspR 2001, 399).
Normenkette
CMR Art. 31 Abs. 1; EuGVÜ Art. 57 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 08.04.2002; Aktenzeichen 419 O 31/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Zwischen-Urteil des LG Hamburg, Kammer 19 für Handelssachen, vom 8.4.2002 (LG Hamburg v. 8.4.2002 – 419 O 31/01) wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 4.000 Euro abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten u.a. darüber, ob das LG Hamburg international zuständig ist.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Zwischen-Urteils des LG Hamburg, Kammer 19 für Handelssachen, vom 8.4.2002 (LG Hamburg v. 8.4.2002 – 419 O 31/01) Bezug genommen (Bl. 159 f. d.A.)
Das LG hat durch dieses Urteil entschieden, dass das LG Hamburg international zuständig ist. Hinsichtlich der Begründung des LG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils (Bl. 160 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil, das ihr am 8.4.2002 zugestellt worden ist, am 8.5.2002 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 10.6.2002 begründet.
Die Beklagte wendet sich gegen das angefochtene Zwischenurteil und vertieft ihre Auffassung, dass das LG Hamburg international nicht zuständig sei. Im Übrigen wendet sie sich gegen die Auffassung des LG, dass sie sich rügelos auf das Verfahren eingelassen und hierdurch die internationale Zuständigkeit gem. Art. 18 EUGVÜ begründet habe.
Es sei nicht zutreffend, sie „habe entweder keine Verteidigungsanzeige abgeben dürfen oder die Verteidigungsanzeige wohl mit einer Art Sachantrag habe verbinden müssen des Inhalts, sich nicht verteidigen bzw. sich nicht einlassen zu wollen”. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vorbringens der Beklagten wird auf die S. 2 f. der Berufungsbegründung (Bl. 174 f. d.A.) Bezug genommen.
Das LG habe zu Unrecht Art. 31 CMR als „lex specialis” ggü. Art. 57, 20 EuGVÜ erachtet. Gemäß Art. 57 Abs. 1 EuGVÜ blieben die Vorschriften von Spezialübereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung oder die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen unberührt. In der Sache besage Art. 57 Abs. 1 EUGVÜ zunächst nichts anderes, als dass Vertragsstaaten des EuGVÜ weiterhin auch Vertragsstaaten anderer Spezialübereinkommen blieben und werden könnten, die ihrerseits einen sich mit dem Regelungsgegenstand des EuGVÜ zumindest teilweise überschneidenden Inhalt hätten.
Das Verhältnis der Vorschriften des EuGVÜ zu den sachlich mit ihnen konkurrierenden Bestimmungen von Spezialabkommen werde sodann in Art. 57 Abs. 2 EuGVÜ näher bestimmt. Art. 57 Abs. 2 EuGVÜ lasse es dabei als Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Vorschriften des EuGVÜ Vorrang hätten, zu, dass das Gericht eines Vertragsstaates seine Zuständigkeit auf Vorschriften eines Spezialübereinkommens stütze, und zwar auch dann, wenn der Beklagte seinen Sitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates des EuGVÜ habe, der nicht zugleich Vertragsstaat des Spezialabkommens sei. Art. 57 Abs. 2a S. 2 EuGVÜ betone jedoch: „In jedem Fall wendet dieses Gericht Artikel 20 des vorliegenden Übereinkommens an; …” Danach werde, soweit eine Konkurrenz zwischen Vorschriften des EuGVÜ und eines Spezialübereinkommens überhaupt möglich sei, in jedem Fall die Anwendung des Art. 20 EuGVÜ sichergestellt. Sie, die Beklagte, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates (Königreich Dänemark) habe und die vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates verklagt werde (LG Hamburg) und sich nicht auf das Verfahren einlasse, könne allein an ihrem Wohnsitzgericht oder basierend auf anderen Vorschriften des EuGVÜ gerichtlich in Anspruch genommen werden. Dieser Wortlaut sei eindeutig. Dies umso mehr, als er gerade auf das hier streitige Verhältnis zwischen einerseits den Zuständigkeitsbestimmungen des EuGVÜ und andererseits denen solcher Spezialübereinkommen abstelle. Einer teleologischen Reduktion über diesen eindeutigen Wortlaut hinweg sei die Bestimmung als Vorschrift des „internationalen Einheitsrechtes” schlicht nicht zugänglich. Dies auch und gerade vor dem Hintergrund, dass Art. 57 Abs. 2 EuGVÜ eine einheitliche Auslegung des Abs. 1 der Vorschrift sicherstellen wolle.
Durchaus korrekt führe das LG insoweit aus, dass Art. 20 EuGVÜ einen Beklagten davor schützen wolle, sich möglicherweise mit übermäßigem Aufwand gegen eine Klage vor einem international unzuständigen ausländischen Gericht verteidigen ...