Leitsatz (amtlich)
1. Einzelne Textpassagen eines wissenschaftlichen Werks sind nur dann gesondert urheberrechtsschutzfähig, wenn die konkrete Gedankenführung hierin eine eigenständige sprachlich-schöpferische Gestalt gefunden hat, welche das erforderliche Schutzniveau erreicht.
2. Außerhalb dieses Schutzbereichs unterliegt die Übernahme der Gedankenführung fremder wissenschaftlichen Werke nicht der urheberrechtlichen Zitierpflicht. Das wissenschaftliche Zitiergebot ist mit der urheberrechtlichen Zitierpflicht nicht deckungsgleich.
3. Beansprucht ein Autor von einem Dritten die Erfüllung der Zitatpflicht hinsichtlich kurzer, aus dem Sinnzusammenhang gelöster Textpassagen, so hat er hinsichtlich jeder einzelnen Textstelle deren urheberrechtliche Schutzfähigkeit sowie konkreten Merkmale der rechtsverletzenden Übernahme substanziiert darzulegen.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 30.08.2002; Aktenzeichen 308 O 71/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 8, vom 30.8.2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist Betriebswirt und Doktor der Philosophie. Er beschäftigt sich seit Jahren in soziologischer, philosophischer und naturwissenschaftlicher Hinsicht mit dem Phänomen der "Marke" bzw. der wissenschaftlichen Disziplin der "Markentechnik". Der Kläger betreibt unter der Bezeichnung "Dr. O. Brand Consulting" ein Beratungsunternehmen, welches sich u.a. mit der Entwicklung integrierter markenzentrierter Unternehmensstrategien befasst.
Der Beklagte zu 3) ist der ehemalige Doktorvater des Klägers, der dessen Promotion unter dem Titel "Die Bewegungskräfte der Produktmarke" (Anlage K15) aus dem Jahr 1991 betreute. Dieses Werk wurde später unter dem Titel "Marke als System - Ihre Eigenkräfte regeln den Markt" in Buchform veröffentlicht (Anlage K1a).
Gemeinsam mit den Beklagten zu 3) und 4) gründete der Kläger im Jahr 1994 das "Institut für Markentechnik - B. D. O.". Ein Jahr später gründeten diese Personen gemeinsam mit Herrn MS in der Schweiz die Beklagte zu 1). Deren Geschäftsbetrieb ist auf die internationale Wirtschaftsberatung für strategische und operative Markenführung gerichtet. In der Folgezeit kam es zwischen dem Kläger und den Beklagten zu Unstimmigkeiten. Die Parteien trennten sich.
Im Dezember 1999 erschien das streitgegenständliche "Jahrbuch Markentechnik 2000/2001" im Verlag der Beklagten zu 2) (Anlage K1b). Die Beklagten zu 3) und 4) sind Herausgeber dieses Jahrbuchs, die Beklagte zu 1) nutzt das Jahrbuch für sich wirtschaftlich und nimmt bei ihrer Tätigkeit hierauf Bezug.
Der Kläger macht geltend, die Beklagten hätten in diesem Jahrbuch in einer Vielzahl von Fällen seine wissenschaftliche Forschungsergebnisse aus seiner Dissertation bzw. dem Buch "Marke als System - Ihre Eigenkräfte regeln den Markt" übernommen, ohne ihn als Urheber kenntlich zu machen und die verwendeten Quellen ordnungsgemäß zu zitieren. Hierin sieht der Kläger einen Urheberrechtsverstoß, den er zur Grundlage eines umfassenden Unterlassungsantrags und hierauf rückbezogener Auskunfts-, Schadensersatzfeststellungs- und Vernichtungsanträge macht.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten gesamtverbindlich zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen, das "Jahrbuch Markentechnik 2000/2001", Frankfurt/M.: Deutscher Fachverlag 1999, ISSN ..., Hrsg. Klaus Brandmeyer, Alexander Deichsel, herzustellen und/oder herstellen zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen wie nachstehend linksseitig zu a), b) c) ohne Quellenangabe, wie rechtsseitig aufgeführt, wiederzugeben;
Jahrbuch Markentechnik 2000-2001
T. O., Die Selbstähnlichkeit der Marke, Jahrbuch Markentechnik 1995, S. 43 ff., Dissertation T. O. "Die Bewegungsgesetze der Produktmarke", Hamburg, 1991; Buch "Marke als System" Hamburg 1993
a) Jahrbuch Markentechnik 2000 S. 6 drittletzte Zeile - der Wirtschaftskörper Marke muss einer Re-Ökonomisierung unterworfen werden O., Jahrbuch Markentechnik 1995 - bewirkt in jedem der o.g. Bereiche eine Re-Ökonomisierung der unternehmerischen Bemühungen S. 31 Z 24 - beruhte auf einer vorteilhaften Mischung von optimaler Selbstreferenz/Binnendialektik und Fremdreferenz/Außendialektik O. Jahrbuch Markentechnik 1995 S. 47
Die Aufgabe eines Markentechnikers besteht darin, für seine Marke das jeweils richtige Maß an Erstmaligkeit und Bestätigung zu bestimmen und in der Markenarbeit umzusetzen. Auch Gedankenübernahme: O. S. 65
Die Marke hat neben dem selbstreferentiellen Aspekt der allein a...