Leitsatz (amtlich)
Im Falle der Markenrechtsverletzung wegen EU-Parallelimports markenrechtlich geschützter Arzneimittel ohne Vorabinformation des Markeninhabers kann Auskunft über die Lieferanten, Liefermengen und Lieferzeiten, über die gewerblichen Abnehmer, Abnahmemengen und Abnahmezeiten des betreffenden Arzneimittels verlangt werden, nicht dagegen über die Liefer- und Abnahmepreise, den Umsatz, die Gestehungskosten und den erzielten Gewinn.
Der Auskunftsanspruch ist zeitlich begrenzt, er beginnt mit dem ersten vorgetragenen Verletzungsfall und endet mit der nachgeholten Vertriebsanzeige. Ein Anspruch auf Rechnungslegung besteht insoweit nicht.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 19.04.2000; Aktenzeichen 315 O 821/99) |
Tenor
Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 1) wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 19.4.2000 abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst.
1. Die beiden Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Umfang des Vertriebs der aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union importierten Arzneimittel ZOLADEX, NOLVADEX 10, NOLVADEX 20, NOLVADEX 40, TENORMIN, FULCIN S, TENORETIC und TENORETIC MITE in Deutschland ohne Vorabinformation der Klägerin für die Zeit vom 1.1.1997 bis 2.11.1999, und zwar durch Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich aufgeschlüsselt nach den verschiedenen Arzneimitteln ergeben:
- Namen und Anschriften der Lieferanten, Liefermengen, und -zeiten;
- Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Abnahmemengen und -zeiten.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen aus Handlungen der im Antrag zu Ziff. 1. gekennzeichneten Art entstandenen und/oder noch entstehenden Schaden zu ersetzen.
3. Die beiden Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 2.415,85 Euro (= 4.725 DM) nebst 4 % jährlicher Zinsen auf 533,69 Euro (= 1.043,80 DM) vom 30.11.1999 bis 25.1.2000 und auf 4.725 DM seit dem 26.1.2000 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen werden die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 1) zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin zu 1/10 und die Beklagten zu 9/10.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 30.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 5.000 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 53.545,04 Euro (= 104.725 DM) festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin ist ein zum A-Konzern gehörendes deutsches Pharmaunternehmen. Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, befasst sich mit dem Parallelimport von Arzneimitteln.
Eine Marktrecherche der Klägerin von Ende Oktober 1999 kam zu dem Ergebnis, dass die Beklagte zu 1) in Deutschland die parallelimportierten Arzneimittel ZOLADEX, NOLVADEX, TENORMIN, FULCIN S, TENORETIC und TENORETIC MITE, für die die Klägerin jeweils Markenrechtsschutz genießt, vertrieben hat, ohne zuvor die Klägerin vorab hierüber zu informieren. Nach der Marktrecherche betraf der Vertrieb jedenfalls die Jahre 1997 bis 1999 bei Umsätzen von etwa 2.200.000 DM bis Ende August 1999.
Die Klägerin beanstandet das als Markenrechtsverletzung und nimmt die Beklagten auf Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht und Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch.
Mit Telefax vom 29.10.1999 mahnte die Klägerin die Beklagte zu 1) wegen der fehlenden Vorabinformation betreffend den Vertrieb der Arzneimittel ab (Anlage K 1: dort fehlen die Mittel TENORETIC und TENORETIC MITE). Hierauf gab die Beklagte zu 1) mit Anwaltschreiben vom 2.11.1999 eine entspr. Unterlassungsverpflichtungserklärung ab und teilte der Klägerin mit, sie vertreibe als Parallelimporte folgende Arzneimittel der Klägerin, und zwar jeweils in überklebten Faltschachteln:
„ZOLADEX seit 9/1993, NOLVADEX 10 mg seit 1/1987, NOLVADEX 20 mg seit 6/1989, NOLVADEX 40 mg seit 6/1989, TENORMIN seit 9/1987, FULCIN S seit 10/1988, TENORETIC seit 4/1992 und TENORETIC MITE seit 10/1998” (Anlage K 2).”
Mit Schreiben vom 19.11.1999 – das hat die Klägerin in 2. Instanz vorgetragen (Bl. 107) – hat die Beklagte zu 1) diese Angaben unter Mitteilung der Lieferländer und der Packungsgrößen im Exportland und im Inland ergänzt.
Unter dem 4.11.1999 stellte die Klägerin der Beklagten zu 1) die Kosten für die Abmahnung vom 29.10.1999 (Anlage K 1) i.H.v. 3.208,80 DM in Rechnung (Anlage K 3). Da die Beklagte zu 1) hierauf nur 1.633,80 DM gezahlt hat (Bl. 13), ist die Differenz von 1.575 DM offen geblieben (siehe hierzu den Klageantrag zu Ziff. 3.). Bei den ersten, mit Schreiben der Beklagten zu 1) vom 24.11.1999 übersandten NOLVADEX-M...