Leitsatz (amtlich)
Ablehnung der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Fall der Vertretung widerstreitender Interessen: Zur Annahme eines Tätigkeitsverbots führender Interessenkonflikt bei Vertretung der Kindesmutter in einem Verfahren wegen Kindesunterhalt nach vorheriger Vertretung des Kindesvaters in einem Abstammungsverfahren
Normenkette
BORA § 3 Abs. 1; BRAO § 43 a Abs. 4; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 121
Verfahrensgang
AG Brakel (Aktenzeichen 9 F 129/18) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Brakel vom 20.11.2018 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig erhoben.
In der Sache muss dem Rechtsmittel der Erfolg versagt bleiben.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Brakel hat mit dem angefochtenen Beschluss den Beiordnungsantrag zu Recht abschlägig beschieden und es abgelehnt, der Antragstellerin im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens die von ihr mandatierte Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen. Das Familiengericht ist rechtsfehlerfrei und in zutreffender Würdigung der Umstände des hier zu beurteilenden Einzelfalls davon ausgegangen, dass der beantragten Beiordnung das in § 43 a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA normierte Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen entgegensteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, denen die Beschwerde nichts Substantielles entgegenzuhalten vermag.
Zwar hat ein Beteiligter, soweit die Beiordnung eines Rechtsanwalts in Betracht kommt, grundsätzlich einen Rechtsanspruch darauf, dass das Gericht ihm den Anwalt seines Vertrauens beiordnet (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 121 ZPO). An diese Wahl ist das Gericht aber nicht gebunden, wenn der gewählte Rechtsanwalt nicht tätig werden darf (Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 121 Rn. 14). Ein solches anwaltliches Tätigkeitsverbot ergibt sich hier aus § 43 a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA, wonach ein Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen in derselben Rechtssache vertreten darf (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen: BGH, Beschlüsse vom 16.01.2013 - IV ZB 32/12, FamRZ 2013, 542 f. und vom 23.04.2012 - AnwZ (Brfg) 35/11, FamRZ 2012, 1563-1565; Henssler, AnwBl. 6/2018, S. 342 ff.). Das Familiengericht hat die Voraussetzungen dieses Verbotstatbestandes im vorliegenden Verfahren zu Recht als erfüllt angesehen. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin würde, nachdem sie den Antragsgegner zunächst in einem Abstammungsverfahren bezogen auf zwei - zu Ehezeiten geborene - Kinder der Antragstellerin sowie in dem parallel eingeleiteten Verfahrenskostenhilfeverfahren vertreten hat (Erstmandat), mit der beabsichtigten Vertretung der Antragstellerin in dem nunmehr gegen den Antragsgegner angestrengten Verfahren auf Zahlung von Kindesunterhalt für zwei weitere, ebenfalls zu Ehezeiten geborene Kinder (Zweitmandat) widerstreitende Interessen in sich zumindest teilweise sachlich-rechtlich deckenden Mandaten wahrnehmen. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine abweichende Würdigung und lässt weder die erforderliche Rechtssachenidentität als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 43 a Abs. 4 BRAO noch den objektiv vorhandenen Interessenkonflikt entfallen.
a) "Rechtssache" kann jede Angelegenheit sein, die zwischen mehreren Beteiligten mit möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden soll (BGH, Urteil vom 25.06.2008 - 5 StR 109/07, BGHSt 52, 307, Rn. 11). Maßgebend dafür, ob die Rechtssache dieselbe ist, ist der sachlich-rechtliche Inhalt der anvertrauten Angelegenheit (BGH, Urteil vom 16.11.1962 - 4 StR 344/62, BGHSt 18, 192 f.), auch wenn dasselbe materielle Interesse Gegenstand verschiedener Ansprüche oder Verfahren ist (BGH, Urteil vom 07.10.1986 - 1 StR 519/86, BGHSt 34, 191). Zwei Mandate decken sich in aller Regel dann in sachlich-rechtlicher Hinsicht, wenn sie jeweils ein "verklammerndes" Element (zum Beispiel eine Ehe oder einen Erbfall) beinhalten, welches in beiden Mandaten von rechtlicher Bedeutung ist.
Dies zugrunde legend, überschneiden sich die dem Erst- und dem verfahrensgegenständlichen Zweitmandat zugrunde liegenden Lebenssachverhalte in rechtlich relevanter Weise. Wie die Beschwerde selbst vorträgt, ist das Abstammungsverfahren im Hinblick auf die nicht von dem Antragsgegner abstammenden, aber zu Ehezeiten geborenen Kinder G (geboren am XX.04.2013) und Q O (geboren am XX.11.2017) maßgeblich aus unterhaltsrechtlichen Erwägungen und zu dem Zweck geführt worden, um sich die Möglichkeit zu verschaffen, den leiblichen Vater von G und Q auf Kindesunterhalt in Anspruch nehmen zu können. Ausschlaggebend für diese Überlegungen waren, dass die Einkommensverhältnisse des Antragsgegners für die vier ehelichen Kinder von den Beteiligten seinerzeit nicht für ausreichend erachtet ...