Leitsatz (amtlich)
Bis zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage hat der Senat keine Bedenken, dass der in § 29 StVollzG enthaltene und in Nr. 24 VVJug verdeutlichte und mit dem Erziehungsauftrag zu vereinbarende Rechtsgedanke grundsätzlich eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Kontrolle der Post eines Gefangenen im Jugendstrafvollzug darstellt
Nachgehend
Tatbestand
Der Betr. verbüßt Jugendstrafe. In der Zeit vom 05.09.2002 bis 17.10.2003 leitete die JVA 9 Disziplinarverfahren gegen den Betr. ein, wobei in 8 Fällen Disziplinarmaßnahmen verhängt wurden. Die letzte Maßnahme, eine Auf-, Umschluss-, Freizeit- und Fernsehsperre war bis zum 31.10.2003 vollstreckt. Den Disziplinarverfahren gingen wiederholte tätliche Auseinandersetzungen mit Mitgefangenen, eine Bedrohung von Bediensteten, der Konsum von selbsthergestelltem Alkohol, die unerlaubte Inbesitznahme einer Tätowiermaschine und die mehrfache Verweigerung, Arbeitsanordnungen Folge zu leisten, voraus.
Am 18.12.2003 begehrte der Betr. die Feststellung der Rechtswidrigkeit der gegen ihn verhängten Disziplinarmaßnahmen und die Aufhebung der allgemeinen Postkontrolle. Durch die angefochtenen Bescheide hat die Vollzugsbehörde den Feststellungsantrag zum Einen mangels weiterhin bestehender Beschwer und im weiteren als unzulässig, da verspätet, zurückgewiesen. Die Aufhebung der Postkontrolle hat sie unter Bezugnahme auf Nr. 24 III VVJug abgelehnt. Bis zum Erlass umfassend gesetzlicher Regelungen seien die Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug bindend.
Der Antrag des Betr. auf gerichtliche Entscheidung blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Im Übrigen ist der Antrag auf Aufhebung der Postkontrolle unbegründet, da der Anstaltsleiter im Rahmen des Jugendstrafvollzuges schon aus Gründen der Erziehung gegenüber dem Betr. ermächtigt ist, den Schriftwechsel zu überwachen. Der Anstaltsleiter stützt diese Maßnahme auf Nr. 24 der bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Jugendvollzug (VVJug), die der Regelung des § 29 StVollzG, die für den Erwachsenenvollzug gilt, nachgebildet ist. Entgegen der Auffassung des Betr. stellt die Postkontrolle keinen unzulässigen Eingriff in seine Grundrechte dar. Das durch Art. 10 I GG geschützte Brief- und Postgeheimnis wird nicht verletzt.
Art. 10 GG gewährt keinen unbegrenzten Rechtsschutz. Das Grundrecht findet seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Richtig ist, dass es bislang an einem speziellen, förmlichen Gesetz fehlt, das Eingriffe in das Grundrecht des Brief- und Postgeheimnisses eines Gefangenen im Jugendstrafvollzug regelt, obwohl das BVerfG in Bezug auf den Erwachsenenvollzug in seiner Entscheidung vom 14.03.1972 (BVerfGE 33, 1, 9) bereits festgestellt hat, dass auch die Grundrechte von Strafgefangenen nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden können. Im Sinne eines funktionierenden Strafvollzugs hat das BVerfG in der damaligen Entscheidung ebenfalls festgestellt, dass für eine Übergangszeit, bis zum In-Kraft-Treten des StVollzG auch ohne eine besondere gesetzliche Regelung, durch anerkannte Rechtsgrundsätze gedeckte Eingriffe in Grundrechte der Strafgefangenen zulässig seien. Nach der vom BVerfG eingeräumten Übergangsfrist hat der Gesetzgeber zum 01.01.1977 das Strafvollzugsgesetz für den Erwachsenenvollzug geschaffen. Gemäß § 1 des StVollzG gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht unmittelbar für den Jugendvollzug. Den Landesjustizverwaltungen liegt derzeit für den Jugendstrafvollzug lediglich ein neuer Gesetzesentwurf zur Abstimmung vor (GJVollzG).
Die Frage der Verfassungswidrigkeit des jetzigen Jugendstrafvollzuges ist umstritten, wobei letztlich die Obergerichte in keinem der zu entscheidenden Fälle den Vollzug der Jugendstrafe mangels gesetzlicher Grundlage für verfassungswidrig befunden haben (vgl. Calliess/Müller-Dietz StVollzG, 9. Aufl., § 1 Rn 8 mwN). Das BVerfG selbst hat darüber in der Sache bis heute nicht entschieden. 2 Vorlagebeschlüsse des AG Rinteln vom 25.10.2001 (2 BvL 1/02) und des AG Herford vom 18.02.2002 (2 BvL 5/02) stehen zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des § 17 II JGG an. Mangels Gesetzesfassung des Jugendstrafvollzuges ist nach Auffassung der vorlegenden Gerichte nicht nur der Vollzug, sondern auch die Verhängung einer Jugendstrafe verfassungswidrig.
Das OLG Schleswig hat zu dieser Frage bereits in seinem Urteil vom 10.12.1984 - 1 Ss 270/84 (NStZ 1985, 475 f.) Stellung nehmen müssen und entschieden, dass § 17 II JGG mit dem im Grundgesetz verankerten Grundrecht der Würde des Menschen vereinbar sei. Soweit in Einzelfällen Verstöße gegen die Menschenwürde durch den Vollzug der Jugendstrafe gegeben seien, könne dies nicht zur Verfassungswidrigkeit des strafrechtlichen Gesetzesbefehls und der hieraus abgeleiteten strafgerichtlichen Erkenntnisse führen.
Der Verfassungsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsvereins geht in seiner Stellungnahme vom Nov...