Leitsatz (amtlich)
Die für den Fall des "gleichzeitigen Ablebens" in einem privatschriftlichen Ehegattentestament getroffene Erbeinsetzung kann ohne besondere Anhaltspunkte nicht dahin ausgelegt werden, dass sie sich auch auf den Fall des in zeitlich größerem Abstand aufeinander folgenden Versterbens der Ehegatten bezieht.
Normenkette
BGB § 2084
Verfahrensgang
AG Hagen (Beschluss vom 18.05.2010; Aktenzeichen 36 VI 310) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) vom 26.8.2009 wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) vom 21.10.2010 wird die Sache an das AG zurückverwiesen.
Eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen des Beschwerdeverfahrens findet nicht statt.
Der Geschäftswert wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Dem Beteiligten zu 3) wird Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. I3 beigeordnet; Ratenzahlungen werden nicht angeordnet.
Gründe
I. Die Erblasserin war verheiratet. Aus ihrer Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.
Am 21.1.1986 errichtete sie mit ihrem Ehemann ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament, das folgenden Wortlaut hat:
"Gemeinschaftlicher letzter Wille!
I. Wir, die Eheleute I und M2 T, geb. J, wohnhaft in I2, M-Straße, setzen uns gegenseitig zu Erben ein.
Im Falle des gleichzeitigen Ablebens bestimmen wir folgendes:
Dem Neffen L T, wohnhaft in F, X-Weg, sind aus unserem Nachlass 20.000, - DM (Zwanzigtausend) an Geld oder Sachwerten zu übergeben.
Seinen drei Kindern N2, N3 und E sind je 10.000, - DM (Zehntausend) auf ein Sparkonto zu zahlen, die als Ausbildungsbeihilfe oder zur Gründung eines Hausstands zu verwenden sind.
Der Rest des Vermögens ist je zur Hälfte
a) der deutschen Krebshilfe
b) unverschuldet in Not geratenen Kindern unseres Heimatlandes evtl. über Organisationen zur Verfügung zu stellen.
Die übrigen Verwandten bekommen nichts, da ein herzliches Verhältnis, das eine Zuwendung gerechtfertigt hätte, nicht vorhanden war.
I T
II. Das vorstehende von meinem Mann Verfügte ist auch mein Letzter Wille.
M2 T geb. J"
Am 10.12.2004 verstarb der Ehemann der Erblasserin.
Die Beteiligten streiten darüber, ob das gemeinschaftliche Testament dahingehend ausgelegt werden kann und muss, dass der Beteiligte zu 1) über den Wortlaut hinausgehend auch als Schlusserbe für den Fall des zeitlich in größerem Abstand aufeinanderfolgenden Versterbens der Ehegatte eingesetzt ist.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Beteiligte zu 1), der im Testament begünstigte L T, in einer notariell beurkundeten Erklärung vom 26.8.2009 (Urkunde Nr. 249/2009 der Notarin C in M) die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben nach der Erblasserin ausweist. Die Beteiligte zu 2), eine Nichte der Erblasserin, beantragte am 21.1.2010 zu Protokoll des Rechtspflegers die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der sie, ihren Bruder, den Beteiligten zu 3) und die Tochter ihres vorverstorbenen Bruders H J, die Beteiligte zu 4), aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu Miterben zu je 1/3 Anteil ausweist.
Das Nachlassgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung des vom Beteiligten zu 1) beantragten Alleinerbscheins vorliegen. Das Nachlassgericht hat seine Entscheidung dahin begründet, das gemeinschaftliche Testament vom 21.1.1986 enthalte eine Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 1), so dass nach der Erblasserin nicht die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Die Einsetzung des Beteiligten zu 1) beziehe sich nicht ausschließlich auf den Fall des gleichzeitigen Ablebens der Eheleute im wörtlichen Sinne, solle vielmehr als Schlusserbeneinsetzung auch für den Fall gelten, dass ein Ehegatte den anderen überlebe.
Hiergegen richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3), der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.
II. Die gegen den Feststellungsbeschluss nach § 352 FamFG gerichtete Beschwerde ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft sowie form- und fristgerecht nach §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, Abs. 2 FamFG eingelegt. Der erforderliche Beschwerdewert nach § 61 Abs. 1 FamFG ist erreicht. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind beschwerdeberechtigt. Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch die angefochtene Entscheidung unmittelbar oder mittelbar in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt ist. Im Erbscheinsverfahren ist gegen den Feststellungsbeschluss derjenige beschwerdeberechtigt, der geltend macht, dass seine erbrechtliche Stellung in dem beabsichtigten Erbschein nicht oder nicht richtig ausgewiesen werde (Keidel/Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 352 Rz. 150). Diese Voraussetzungen erfüllen die Beschwerdeführer. Die Beschwerdeerklärung der Beteiligten zu 2) ist darüber hinaus dahin zu verstehen, dass sie auch ihrem eigenen Erbscheinsantrag zum Erfolg verhelfen will.
In der Sache sind die Beschwerden begründet. Der Senat legt das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 21.1.1986 abweichend v...