Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung "für den Fall eines gleichzeitigen Ablebens"
Leitsatz (amtlich)
Haben Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament im Anschluss an die gegenseitige Alleinerbeneinsetzung bestimmt, dass für den Fall eines gleichzeitigen Ablebens das Erbe unter ihren Neffen bzw. Nichten aufgeteilt werden soll, so kann der Begriff des "gleichzeitigen Ablebens" entgegen dem Wortsinn nur dann dahin verstanden werden, dass auch das Versterben in erheblich zeitlichem Abstand umfasst werden sollte, wenn sich hierfür eine Grundlage in der vorliegenden Verfügung von Todes wegen findet.
Normenkette
BGB § 2084
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 14.09.2017; Aktenzeichen 51 VI 1342/18 G) |
Nachgehend
Tenor
Die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 2) bis 5) vom 26.01.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main (Höchst) vom 14.09.2017 wird zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten zu 2) bis 5) als Gesamtschuldner zu tragen. Die zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten zu 1) haben die Beteiligten zu 2) bis 5) zu jeweils 1/4 zu tragen. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 349.750,75 Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die am XX.XX.2016 verstorbene Erblasserin war mit dem am XX.XX.2015 vorverstorbenen A1 verheiratet und hatte keine Kinder. Die Beteiligte zu 1) ist die Cousine der Erblasserin, die Beteiligten zu 2) bis 5) sind Nichte und Neffen des vorverstorbenen Ehemannes.
Am 01.12.2002 errichteten die Eheleute ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament (Bl. 3 d. Testamentsakte), in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Mit Ergänzung vom 07.03.2012 bestimmten sie, dass für den Fall eines gleichzeitigen Ablebens das Erbteil gleichmäßig unter ihren Neffen bzw. Nichten aufgeteilt werden solle. Dabei wurden die Beteiligten zu 2) bis 5) namentlich genannt.
Auf Antrag des Beteiligten zu 2) erteilte das Nachlassgericht am 27.12.2016 einen Erbschein (Bl. 14 d.A.), nach dem die Erblasserin von den Beteiligten zu 2) bis 5) zu je 1/4 beerbt wurde.
Mit Schriftsatz vom 31.05.2017 (Bl. 68 d.A.) hat die Beteiligte zu 1) die Einziehung des Erbscheins angeregt und diesbezüglich die Auffassung vertreten, dass die Testamentsergänzung vom 07.03.2012 keine allgemeine Schlusserbenregelung sei, sondern lediglich den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Eheleute betreffe. Dies sei jedoch bei der Erblasserin und ihrem Ehemann nicht der Fall. Auch seien die Eheleute nicht zeitnah nacheinander verstorben.
Die Beteiligten zu 2) bis 5) haben dem entgegengehalten, dass der Ehemann der Erblasserin erst am 20.03.2015 beigesetzt wurde und die Erblasserin am 17.04.2015 selbst in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Die dort vorgenommene Operation sei mit Komplikationen verbunden gewesen, die Aufenthalte in weiteren Kliniken erforderlich machten, bevor die Erblasserin schließlich verstarb.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14.09.2017 (Bl. 97 d.A.), auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Nachlassgericht den Erbschein vom 27.12.2016 als unrichtig eingezogen. Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt, dass das Testament vom 01.12.2002 in der Fassung vom 07.03.2012 keine Schlusserbeneinsetzung, sondern nur eine Ersatzerbeneinsetzung für den Fall des gleichzeitigen Versterbens enthalte. Zwischen dem Tod der Erblasserin und ihres Ehemanns hätten 16 Monate gelegen. Es ergäben sich keinerlei Hinweise darauf, dass die Erblasserin in diesem Zeitraum aufgrund körperlichen oder geistigen Verfalls nicht mehr dazu in der Lage gewesen wäre, ein eigenes Testament zu verfassen. Die Zustellung dieses Beschlusses erfolgte am 21.09.2017 (Bl. 106 d.A.) an den im Rubrum als Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) bis 5) aufgeführten Notar B, nicht jedoch an die Beteiligten zu 2) bis 5) persönlich. Mit Verfügung vom 18.01.2018 wurde dem Beteiligten zu 5) der Beschluss übermittelt.
Mit einem am 29.01.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 133 d.A.) hat der Beteiligte zu 5) gegen den Beschluss vom 14.09.2017 Beschwerde eingelegt. Die Beteiligten zu 2) bis 4) haben sich der Beschwerde angeschlossen. Zur Begründung führen sie aus (Bl. 136 d.A.), dass das Testament dahingehend auszulegen sei, dass die Eheleute mit der Formulierung "im Fall eines gleichzeitigen" Ablebens tatsächlich eine Schlusserbeneinsetzung hätten vornehmen wollen. Hätten die Erblasserin und ihr Ehemann die Beteiligte zu 1) zu ihrer Schlusserbin berufen wollen, dann hätten sie dies tun können. Es sei unwahrscheinlich, dass die Eheleute nur den unwahrscheinlichen Fall eines gleichzeitigen Ablebens hätten regeln, nicht jedoch eine Schlusserbeneinsetzung vornehmen wollen. Im Übrigen seien die Eheleute kurz nacheinander ...