Entscheidungsstichwort (Thema)
Wechselbezügliche Verfügungen von Todes wegen im gemeinschaftlichen Testament
Normenkette
BGB § 2270 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Beschluss vom 19.04.2004; Aktenzeichen 23 T 156/04) |
AG Rahden (Aktenzeichen 3 VI 110/03) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 3) wird zurückgewiesen und der Vorbescheid des AG vom 5.2.2004 mit der Maßgabe wiederhergestellt, dass das AG angewiesen wird, den Erbschein vom 22.6.2004 einzuziehen.
Im Übrigen wird die weitere Beschwerde als unzulässig verworfen.
Die Beteiligte zu 3) hat die dem Beteiligten zu 1) im Verfahren der ersten Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 70.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Erblasserin wurde 1920 in G., Kreis K., heute in der Ukraine gelegen, geboren. Sie war in einziger Ehe mit Herrn H.N., geb. 30.9.1900, verheiratet, der am 22.6.1992 vorverstorben ist. Aus der Ehe sind zwei Töchter, die Beteiligten zu 2), geboren am 1.11.1953, und 3), geboren am 11.12.1954, hervorgegangen. Der Beteiligte zu 1) ist der Sohn der Beteiligten zu 2).
Am 2.3.1977 errichteten die Erblasserin und ihr Mann ein notarielles Testament (UR-Nr. ... des Notars P.H. in R.). Darin heißt es:
"§ 1
Wir berufen uns gegenseitig zum Erben, sodass der Letztlebende von uns der alleinige und unbeschränkte Erbe und Rechtsnachfolger des Erstversterbenden von uns wird.
§ 2 Weiteres haben wir nicht zu bestimmen. [...]"
Das Testament wurde beim AG R. hinterlegt.
Im Verhältnis zwischen der Familie der Beteiligten zu 2) und deren Eltern kam es seit den siebziger Jahren wiederholt zu erheblichen Spannungen. Die Beteiligte zu 2) hatte bis zum Sommer 1986 eine Wohnung im Haus J.-straße gemietet. Diese wurde ihr von den Eltern aufgrund der Auseinandersetzungen gekündigt. Auch zwischen der Beteiligten zu 3) und den Eltern kam es zeitweise zu Streitigkeiten.
Am 15.6.1986 errichteten die Eheleute N. handschriftlich ein weiteres Testament mit folgendem Inhalt (Fehler im Original):
"Wir die Eheleute H.N., und O.N. geb. K. setzen uns hiermit gegenseitig zum alleinigen Erben unseres gesamten Nachlass ein! Über die Häuser J.-str. Nr. ... und im Im W. kann der letzte Überlebender verschenken verkaufen oder für die Alterspflege nutzen. Wenn die Kinder die Pflege verweigern ist der letzte Überlebender gezwungen fürs Altersheim oder an private Pflege abzugeben. Die Kinder erben erst dann nach dem Letzüberlebenden wenn was nachbleibt!"
Das Original dieses Testamentes ist nicht mehr vorhanden. Die Erblasserin selbst reichte am 2.2.1995 eine Kopie beim Nachlassgericht ein und erklärte, sie könne nicht angeben, wo die Urschrift geblieben sei, sie sei aber zum Zeitpunkt des Todes ihres Mannes noch vorhanden gewesen.
Sie sei der Meinung, sie habe das Testament Rechtsanwalt H. in L. übergeben, der sie in einem Rechtsstreit mit der Beteiligten zu 3) wegen des Pflichtteils vertrete. Auf Nachfrage des Nachlassgerichts übersandte Rechtsanwalt H. eine zweite Kopie und erklärte, dass die Erblasserin ihm nur diese Kopie übergeben habe. Die Fotokopien weichen hinsichtlich der Unterschriften und in einigen weiteren Punkten von einander ab; wegen der Einzelheiten wird auf die bei den Akten befindlichen Kopien Bezug genommen.
Zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes vom 15.6.1986 hatte der Ehemann der Erblasserin dieser bereits das Alleineigentum an dem Grundstück Im W. übertragen, das Grundstück J.-str. stand weiterhin im hälftigen Miteigentum der Eheleute. Zum Zeitpunkt des Todes des Ehemannes verfügte dieser ferner über ein Bankguthaben von 71.000 DM.
Am 1.3.1993 errichtete die Erblasserin ein weiteres handschriftliches Testament, in dem sie den Beteiligten zu 1) als ihren alleinigen Erben einsetzte. Wegen der Einzelheiten der Urkunde wird auf das Testament vom 1.3.1993 Bezug genommen.
Der Beteiligte zu 1) hat am 12.5.2003 die Erteilung eines Alleinerbscheines nach der Erblasserin beantragt und hierzu geltend gemacht: Sein Erbrecht ergebe sich aus dem Testament vom 1.3.1993. Hinsichtlich des Testamentes vom 15.6.1986 sei bereits zweifelhaft ' ob es nicht von der Erblasserin und ihrem Mann in Widerrufsabsicht vernichtet worden sei. Jedenfalls enthalte das Testament vom 15.6.1986 überhaupt keine Erbeinsetzung zugunsten der Beteiligten zu 2) und 3), der entsprechende Passus sei lediglich als deklaratorischer Hinweis auf die gesetzliche Erbfolge zu verstehen. Zumindest sei die Verfügung nicht wechselbezüglich, es sei vielmehr davon auszugehen, dass nach dem Willen der Testierenden der Überlebende sowohl zu Lebzeiten als auch von Todes wegen frei habe verfügen dürfen.
Die Beteiligte zu 2) hat ebenfalls die Auffassung vertreten, dass das Testament vom 15.6.1986 sie und ihre Schwester nicht als Schlusserben einsetze, und hat hierzu vorgetragen, ihre Eltern hätten ihr im August 1986 noch erklärt, wer mal die Häuser e...