Entscheidungsstichwort (Thema)
wechselbezügliche Einsetzung der Kinder. Nachlasssache betreffend die Erteilung eines Erbscheines für den Nachlass
Leitsatz (amtlich)
Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass in den Fällen, in denen Eltern ihre gemeinschaftlichen Kinder zu Schlusserben bestimmen, es ihrem gemeinschaftlichen Willen entspricht, dass der überlebende Elternteil zu einer Änderung des Testaments berechtigt sein sollte, wenn es nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehegatten zu einem Vermögenszuwachs oder zu Familienstreitigkeiten kommt.
Normenkette
BGB § 2271
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 7 T 317/00) |
AG Hattingen (Aktenzeichen 13 VI 117/00) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2) und 3) die im Verfahren vor dem Senat entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 240.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die am 24.10.1913 geborene Erblasserin war verheiratet mit J. R. Die Beteiligten zu 1 – 3) sind die aus dieser Ehe hervorgegangenen Kinder. Weitere Kinder der Erblasserin sind nicht vorhanden. Der Ehemann der Erblasserin ist am 7.5.1988 vorverstorben.
Die Erblasserin und ihr Ehemann errichteten am 29.1.1985 ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament mit folgendem Wortlaut:
Unser letzter Wille
Wir, die Eheleute J. R. und K. R. geborene … erklären unseren letzten Willen wie folgt:
Wir setzen uns gegenseitig zu unumschränkten Alleinerben ein, mit der Maßgabe, dass der Überlebende von uns über das beiderseitige Vermögen frei und unbeschränkt verfügen darf.
Der Überlebende von uns beruft zu seinen Alleinerben:
Unsere Töchter
Helga, geboren am 28.2.1941
Karin, geboren am 4.11.1943
sowie unseren Sohn
Leo, geboren am 22.1.1950
Ersatzerben sind deren Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Für den Fall, dass eines unserer Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt, soll es auch nach dem Tode des Längstlebenden nur seinen Pflichtteil erhalten.
Die Erblasserin und ihr Ehemann besaßen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung kein nennenswertes Vermögen. Die Erblasserin erwarb jedoch im Wege der Erbauseinandersetzung bzw. vorweggenommenen Erbfolge im Jahre 1991 den Grundbesitz Schloßstr. … von ihrer Tante …, wohl auch als Gegenleistung dafür, dass sie diese Tante gepflegt hatte. In einem handschriftlichen Testament vom 18.9.1996 setzte die Erblasserin ihre Kinder zu gleichen Anteilen als Erben ein. Das Testament enthält außerdem die Anordnung von Vermächtnissen.
Im Frühjahr 1999 wurde die Erblasserin pflegebedürftig. Die Sicherstellung ihrer Versorgung und Pflege führte zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten und der Erblasserin. Die Beteiligte zu 1) nahm die Erblasserin in ihrer Wohnung in … auf, pflegte und versorgte sie dort unter Mithilfe ihrer Familie. Die familiären Spannungen bestanden fort. Die Erblasserin gab deshalb ihren ursprünglichen Wunsch, in die Wohnung nach D. zurückzukehren, auf.
Am 23.08.1999, 25.09.1999 und 14.10.1999 errichtete die Erblasserin zu Protokoll des Notars … drei weitere Testamente. In dem Testament vom 23.8.1999 (UR-Nr. 218/99) erklärte die Erblasserin, dass sie nicht durch Bindungen aus einem früheren gemeinschaftlichen Testament oder aus einem Erbvertrag an der Errichtung des Testamentes gehindert sei. Sie setzte die Beteiligten zu 1-3) zu Erben zu je 1/3 ein. Zu Ersatzerben bestimmte sie die Abkömmlinge der Kinder nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. In dem Testament vom 25.9.1999 (UR-Nr. 251/99) modifizierte sie die Erbfolge dahingehend, dass sie die Beteiligte zu 1) zu 1/3 und die Beteiligten zu 2) und 3) sowie die Katholische Kirchengemeinde D. und die Evangelische Kirchengemeinde D. zu je 1/6 als Erben einsetzte. In dem Testament vom 14.10.1999 (UR-Nr. 264/99) schließlich bestimmte die Erblasserin die Beteiligte zu 1) zur Alleinerbin ihres Nachlasses und setzte deren Abkömmlinge als Ersatzerben ein. Die Beteiligte zu 2) und 3) sollten nur noch den Pflichtteil erhalten.
Aufgrund des notariellen Testamentes vom 14.10.1999 beantragte die Beteiligte zu 1) mit notariellem Protokoll vom 03.05.2000 die Erteilung eines Erbscheines als Alleinerbin, während die Beteiligten zu 2) und 3) mit notariell beurkundetem Antrag vom 4.5.2000 die Erteilung eines Erbscheines begehrten, der die Beteiligten zu 1 – 3) zu je 1/3 als Erben ausweist.
Die Beteiligten zu 2) und 3) vertreten die Ansicht, dass die im gemeinschaftlichen Testament vom 29.1.1985 enthaltene Schlusserbeneinsetzung wechselbezüglich sei und dass aufgrund der Bindungswirkung dieser wechselbezüglichen Verfügung die Erblasserin nicht mehr durch eine letztwillige Verfügung das Testament vom 29.1.1985 habe abändern können. Die Beteiligte zu 1) dagegen ist der Auffassung, dass nach den Grundsätzen der ergänzenden Testamentsauslegung Wechselbezüglichkeit nicht vorliege. Hätten die Erblasserin und ihr Ehemann zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung gewusst, dass zum Nachlass der Erblasserin ...