Verfahrensgang
LG Hagen (Aktenzeichen 9 O 324/20) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
1. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe aus der Berufungsbegründung vom 25.11.2021 (Bl. 48 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz, im Folgenden: eGA-II und für die erste Instanz eGA-I) greifen nicht durch.
a) Der Kläger kann nicht die Feststellung der Unwirksamkeit der in der Berufungsinstanz noch im Streit stehenden Anpassungen zum 01.01.2017 und zum 01.01.2018 beanspruchen.
Beide Anpassungen waren in formeller Hinsicht von Beginn an wirksam.
aa) Rechtlich gilt insoweit:
Das in § 203 Abs. 5 VVG normierte Begründungserfordernis hat den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat. Das wird durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat, erreicht. Dagegen ist es für diesen Zweck nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts oder die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitzuteilen (BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 314/19, r+s 2021, 95 und BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240.
Es muss auch nicht mitgeteilt werden, dass überhaupt ein konkreter Schwellenwert überschritten sein muss. Angaben etwa in der Art, dass die Anpassung bei einer "deutlichen Abweichung" erfolgen müsse, sind ausreichend. Wie der Bundesgerichtshof hat in den genannten Entscheidungen ausgeführt hat, ergibt sich insbesondere auch aus der Gesetzgebungsgeschichte, dass das Begründungserfordernis in § 203 Abs. 5 VVG den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, ob eine Veränderung bei den kalkulierten Leistungsausgaben oder bei den Sterbewahrscheinlichkeiten zu der Anpassung geführt hat. Denn unter Geltung der Vorgängerregelung des § 178g Abs. 4 VVG a.F. war nur eine Benachrichtigung vorgesehen, weil seinerzeit nur eine Veränderung bei den kalkulierten Versicherungsleistung eine Prämienanpassung auslösen konnte. Erst das Hinzutreten der Sterbewahrscheinlichkeiten als zweite Rechnungsgrundlage war für den Gesetzgeber Veranlassung, in § 203 Abs. 5 VVG das Begründungserfordernis zu normieren. Dem entspricht es, dass der Versicherer bei der Begründung nicht notwendig den (genauen) Schwellenwert angeben muss, solange hinreichend deutlich wird, dass eine Veränderung bei einer konkret bezeichneten Rechnungsgrundlage zu der Anpassung geführt hat. Da die Begründung nicht den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle zu ermöglichen, und schon gar nicht eine rechtliche Überprüfung der Anpassung aus sich heraus ermöglichen soll, ist es unschädlich, wenn lediglich von einer "deutlichen Abweichung" bei der Rechnungsgrundlage gesprochen wird.
bb) Danach gilt hier:
Nach der tatrichterlichen Würdigung des Senats genügten hinsichtlich beider Anpassungen die von der Beklagten gegebenen Begründungen den soeben dargestellten Anforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG.
Schon in den jeweiligen Anschreiben (eGA-I 217 und 227) heißt es, dass die Beklagte wie "alle Versicherer gesetzlich dazu verpflichtet [sei], einmal im Jahr die kalkulierten mit den tatsächlich ausgezahlten Leistungen zu vergleichen". In den beigefügten "Wichtigen Hinweisen zu Ihrer Kranken- und Pflegeversicherung" für das Jahr 2017 (eGA-I 225) bzw. "Wichtigen Hinweisen zu Ihrer Krankenversicherung" für das Jahr 2018 (eGA-I 230) wird dies weiter erläutert. Auch dort ist explizit gesagt, dass die Beklagte mit dem Vergleich der tatsächlich erforderlichen und der kalkulierten Leistungen einer sich aus dem Gesetz ergebenden Verpflichtung folgt, und dass bei einer bestimmten Abweichung eine Neukalkulation erfolgen muss.
Für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer wird so hinreichend deutlich, dass nicht sein eigener individueller Schadensverlauf und erst Recht nicht eine freie Entscheidung der Beklagten Grund für die Anpassung war. Ebenso kann er erkennen, dass die Anpassung auf einer Veränderung der Rechnungsgrundlage "Versicherungsleistungen" beruht. In diesem Sinne wird er den mehrfach verwendeten Ausdruck "Leistungen" verstehen (vgl. zu der Verwendung des Begriffs "Leistungsausgaben" bereits Senat, Urteil vom 30.06.2021 - 20 U 152/20, VersR 2021, 1352). Konkrete Anhaltspunkte, dass - alleine oder ...