Leitsatz (amtlich)

Ist in einem Rechtsstreit zwischen dem Kunden, der Rückzahlungsansprüche geltend macht, und dem Gasversorger im Streit, ob die vom Versorger erklärte Preiserhöhung der Billigkeit entspricht, greift die Zuständigkeitsregel des § 102 EnWG nicht ein.

 

Normenkette

EnWG § 102; ZPO §§ 36, 28

 

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das LG E2 - Kammer für Handelssachen - bestimmt.

 

Gründe

A. Zwischen den Parteien besteht ein Vertrag über die Lieferung von Gas. Mit der beim LG F rechtshängig gewordenen Klage macht die Klägerin gegenüber der Beklagten Rückzahlungsansprüche i.H.v. 8.329,70 EUR nebst Zinsen wegen angeblich unwirksamer Preiserhöhungen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.

Mit Verfügung vom 2.3.2011 hat das LG F die Klägerin darauf hingewiesen, dass seine Zuständigkeit nicht gegeben sei, da die Regelung der ausschließlichen sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des LG E2 gem. §§ 102, 103 EnWG i.V.m. § 1 Nr. 2 Konzentrationsverordnung-§ 103 EnWG greife. Dem ist die Klägerin mit Schriftsatz vom 31.3.2011 unter näherer Darlegung entgegengetreten. Hilfsweise hat sie beantragt, den Rechtsstreit an das LG E2 zu verweisen.

Daraufhin hat sich das LG F mit Beschluss vom 4.4.2011 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG E2 verwiesen. Zur Begründung wird (erneut) Bezug genommen auf die Regelung der ausschließlichen sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des LG E2 gem. §§ 102, 103 EnWG i.V.m. § 1 Nr. 2 Konzentrationsverordnung-§ 103 EnWG. Nach dem Wortlaut des § 102 EnWG könne eine Zuständigkeit für den vorliegenden Fall angenommen werden. Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Vertrag bestimme sich nach den Vorgaben des EnWG. Bei der Auslegung der im Streit stehenden Preisanpassungsklausel müsse auch auf 315 BGB zurückgegriffen werden. Allerdings könne die Auslegung nicht losgelöst von den Bestimmungen des EnWG erfolgen. Zudem erscheine es angebracht, die Regelung des § 102 EnWG weit aufzufassen, so dass sowohl die Streitigkeiten aus den Grundversorgungsverträgen als auch den Sonderkundenverträgen vor den nach § 102 EnWG zuständigen LG zu verhandeln seien.

Auf Antrag der Beklagten hat sich sodann die 8. Zivilkammer des LG E2 für funktionell unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das LG E2 - Kammer für Handelssachen - verwiesen. Die 16. Zivilkammer - III. Kammer für Handelssachen - des LG E2 hat die Parteien mit Verfügung vom 11.8.2011 darauf hingewiesen, dass eine Zurückverweisung an das LG F beabsichtigt sei.

Mit Beschluss vom 6.9.2011 hat die 16. Zivilkammer - III. Kammer für Handelssachen - des LG E2 sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit zurück an das LG F verwiesen. Die Zuständigkeit des LG E2 ergebe sich nicht aus § 102 EnWG. Die Frage, ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, einseitig Preiserhöhungen durchzusetzen und ob diese der Billigkeit entsprechen, sei nach den allgemeinen Vertragsnormen des BGB zu entscheiden. Eine sich aus dem EnWG ergebende Rechtsbeziehung sei zwischen den Parteien nicht streitig und die Entscheidung hänge auch nicht von einer Vorfrage ab, die nach dem EnWG zu entscheiden sei. Eine Zuständigkeit des LG E2 folge auch nicht aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses. Dieser entbehre jeglicher Rechtsgrundlage. Der Beschluss setze sich weder mit den fundierten Argumenten des Klägervertreters auseinander noch beachte er die maßgebliche einschlägige Entscheidung des zuständigen Kartellsenats des OLG E vom 13.12.2010. Die allgemeinen rechtspolitischen Praktikabilitätsbetrachtungen würden eine Zuständigkeit des LG E2 nicht begründen, zumal das LG F selbst erkannt habe, dass der vorliegende Rechtsstreit nach den Regelungen des Vertrages und des BGB zu entscheiden sei.

Mit Beschluss vom 27.10.2011 hat das LG F den Rechtsstreit dem OLG in Hamm zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.

B.I. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Verschiedene ordentliche Gerichte, die LG in F und E2, haben sich jeweils durch unanfechtbare Beschlüsse (§ 281 Abs. 2 Satz 1 ZPO) rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das OLG Hamm ist als das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht gem. § 36 Abs. 1 ZPO zu der Zuständigkeitsbestimmung berufen.

II. Als zuständiges Gericht ist das LG E2 - Kammer für Handelssachen - zu bestimmen, dessen Zuständigkeit gem. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des LG F vom 4.4.2011 folgt.

Nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bewirkt ein Verweisungsbeschluss im Grundsatz bindend die Unzuständigkeit des verweisenden Gerichtes und die Zuständigkeit des Gerichtes, an das verwiesen wird. Diese Bindungswirkung wird nicht schon durch die bloße etwaige Unrichtigkeit der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage infolge eines einfachen Rechtsirrtums des verweisenden Gerichts in Frage gestellt. Unbeachtlich ist ein solcher Beschluss vielmehr regelmäßig nur dann, wenn er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht oder wenn er schwere offens...

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