Leitsatz (amtlich)
§ 7a UVG entfaltet schuldnerschützende Wirkung. Die gerichtliche Geltendmachung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs ist ausgeschlossen, solange der Unterhaltspflichtige Leistungen nach dem SGB II bezieht und über kein eigenes Einkommen verfügt.
Normenkette
UVG §§ 7, 7a
Verfahrensgang
AG Unna (Aktenzeichen 12 F 655/20) |
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Unna vom 10.01.2022 (12 F 655/20) wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt das antragstellende Land NRW.
III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.048 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Das antragstellende Land NRW, vertreten durch das Jugendamt der Stadt A, verfolgt mit dem Antrag vom 25.08.2020 Unterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner, nachdem das Land NRW für die Tochter des Antragsgegners, B, × 00.00.2011, die bei der Kindesmutter in A lebt, seit dem 01.07.2019 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) gewährt.
Der Antragsgegner verteidigt sich gegen den Antrag insbesondere mit dem Hinweis, er stehe im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II, habe keinen Beruf erlernt, daher keine reale Beschäftigungsmöglichkeit auf dem Arbeitsmarkt, und pflege zudem seine Großeltern. Er sei daher in Bezug auf die geltend gemachten Ansprüche leistungsunfähig.
Vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Unna haben die Beteiligten am 29.03.2021 zu den gestellten Anträgen mündlich verhandelt. Das Amtsgericht hat sodann aufgrund des Beweisbeschlusses vom 07.04.2021 ein psychiatrisches Gutachten der C eingeholt und den Antragsgegner mit Beschluss vom 10.01.2022 ab 01.07.2021 zu monatlichen Zahlungen von Kindesunterhalt in Höhe von 14 EUR sowie zur Zahlung von Unterhaltsrückständen in Höhe von insgesamt 366 EUR für den Zeitraum vom 01.07.2019 - 30.06.2021 an das Land NRW verpflichtet. Im Übrigen hat es die Anträge des Landes NRW zurückgewiesen. Dabei ist das Familiengericht davon ausgegangen, den Antragsgegner treffe eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit gem. § 1603 Abs. 2 BGB, der er nicht genüge. Ihm sei daher ein fiktives Einkommen auf Basis des Mindestlohns bei einer Vollzeitbeschäftigung (173 Arbeitsstunden pro Monat) zuzurechnen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Landes NRW, welches den ursprünglichen Antrag, nämlich die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung des jeweiligen Mindestunterhalts abzüglich des (vollen) staatlichen Kindergeldes weiterverfolgt.
Das Land NRW meint, der Antragsgegner könne auf dem Arbeitsmarkt auch ohne abgeschlossene Berufsausbildung einen höheren Stundenlohn als den Mindestlohn erzielen, und im Übrigen sei es ihm auch zuzumuten, 48 Stunden pro Woche zu arbeiten. Bei einem solchen fingierten Einkommen sei der Antragsgegner als leistungsfähig anzusehen.
Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Mit Hinweisbeschluss vom 25.10.2022 hat der Senat darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Beschwerde zurückzuweisen und ausgeführt, der gerichtlichen Geltendmachung stehe vorliegend § 7a UVG entgegen.
Das antragstellende Land hat mit Schriftsatz vom 08.11.2022 beantragt, das Verfahren auszusetzen, hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Dem Beschwerdebegehren steht § 7a UVG entgegen, der das Land NRW insoweit bindet, als für den Zeitraum, in dem der unterhaltspflichtige Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II bezieht und über kein eigenes Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfügt, Unterhaltsansprüche nicht verfolgt werden sollen. Diese Voraussetzungen sind nach dem Bescheid über den Bezug von Leistungen nach dem SGB II vom 17.09.2020 erfüllt, und im Übrigen durch das beschwerdeführende Land auch nicht angegriffen.
a). Welche Rechtsfolge aus § 7a UVG abzuleiten ist, wird allerdings teilweise unterschiedlich beurteilt.
Während in der Literatur vertreten wird, § 7a UVG sei eine bloße Ordnungsvorschrift, die keinerlei schuldnerschützende Wirkung entfalte (vgl. Benner/Wiener JAmt 2017, 334, 338; Schürmann, FamRZ 2017, 1380-1383, Benner NZFam 2022, 850), wird von der Rechtsprechung mitunter angenommen, dass es sich um eine bereits gegen den Anspruch als solchen gerichtete rechtshemmende Einwendung handele (vgl. VG Arnsberg, Beschluss vom 10. März 2022 - 9 L 223/22 -, juris) oder aber dass die gerichtliche Durchsetzung nach § 7 UVG auf das Land übergegangener Unterhaltsansprüche ausgeschlossen sei, solange der Unterhaltspflichtige Leistungen nach dem SGB II bezieht und über kein eigenes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfügt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 7. April 2022 - II-3 UF 142/21 -, Rn. 19, juris; so auch Günther/Pfuhlmann-Riggert in: Schnitzler, Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht, 5. Auflage 2020, § 12 Rn. 172, Conradis in: HK-MuSchG, 6. Auflage 2022, § 7a UVG Rn. 1).
Nach dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 0...