Leitsatz (amtlich)
Zum Rechtsbindungswillen von Erklärungen nach einem (Fahrrad-)Unfall im Hinblick auf ein (Schuld-)Anerkenntnis und zum beweiserheblichen Schuldbekenntnis.
Normenkette
BGB § 781; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 014 O 1496/21) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Es ist beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 18.000,00 EUR festzusetzen.
Es wird der Klägerin Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Die zulässige klägerische Berufung hat nach übereinstimmender Ansicht im Senat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg; denn der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aufgrund des Fahrradunfalls vom 22.09.2020 in A, B-Straße/C, zu. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Im Einzelnen:
1. Zunächst ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus einem Schuldanerkenntnis der Beklagten, die vor Ort ihre Personalien angegeben hat und nach dem Vortrag der Klägerin nach der Kollision vor Ort geäußert haben soll, "Es tut mir leid. Das habe ich nicht gewollt." In dieser - seitens der Beklagten bestrittenen - Aussage ist kein wirksames Schuldanerkenntnis zu sehen.
Ein wirksames abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB scheidet schon mangels Einhaltung der Schriftform aus.
Aber auch ein formlos mögliches deklaratorisches Schuldanerkenntnis hat die Beklagte nicht erklärt. Durch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis wird ein bestehendes Schuldverhältnis bestätigt. Es soll ein Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Bestimmungen dem Streit oder der Ungewissheit entziehen, indem es die Berufung auf das Fehlen anspruchsbegründender Tatsachen und das Bestehen rechtshindernder wie -vernichtender Einwendungen und Einreden ausschließt, soweit sie bei Abgabe des Anerkenntnisses bestanden und dem Anerkennenden bekannt waren oder er mit ihnen rechnete (BGH Urt. v. 24.3.1976 - IV ZR 222/74, juris Rn. 17; BGH Urt. v. 1.12.1994 - VII ZR 215/93, juris Rn. 18; BGH Urt. v. 14.10.2004 - VII ZR 190/03, juris Rn. 19). Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis muss sich nicht auf einen ziffernmäßigen Betrag beziehen, es genügt, wenn die Ersatzpflicht dem Grunde oder dem Verschulden nach anerkannt wird. Dies setzt allerdings einen entsprechenden Rechtsbindungswillen bei dem Erklärenden voraus (Senat Beschl. v. 29.12.2020 - I-7 U 90/20, juris Rn. 17; Senat Beschl. v. 26.02.2021 - I-7 U 16/20, juris Rn. 15).
Der erforderliche Rechtsbindungswille liegt vor, wenn die in der Erklärung verwendeten Formulierungen erkennen lassen, dass die Parteien ihre aus dem Haftpflichtfall folgenden Rechtsbeziehungen durch eigene Regelung verbindlich festlegen wollen (Bacher in: Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl. 2020, Kapitel 37 Rn. 11). Ein Indiz für das Vorliegen von Rechtsbindungswillen kann aus den Umständen, unter denen die Erklärung abgegeben worden ist, folgen. Mündliche Äußerungen, die in der ersten Aufregung an der Unfallstelle abgegeben werden, können im Allgemeinen nicht als rechtsverbindliche Anerkenntniserklärung gewertet werden (Rebler, Erklärungen am Unfallort, ZfS 2019, 12). Vielmehr sind solche Äußerungen zur Verursachung oder zum Verschulden des Verkehrsunfalls regelmäßig durch die Aufregung nach dem Unfall veranlasst und nicht Ausdruck des Willens, eine - zudem versicherungsvertragsrechtlich bedenkliche - rechtsverbindliche Erklärung zum Haftpflichtfall abzugeben (Senat Beschl. v. 29.12.2020 - I-7 U 90/20, juris Rn. 18; Senat Beschl. v. 26.02.2021 - I-7 U 16/20, juris Rn. 16; Walter in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.01.2022, § 16 StVG Rn. 16).
Gleiches gilt hier. Dass die Parteien bereits vor Ort über die Verantwortlichkeit für den Sturz stritten, haben die Parteien und Zeugen nicht berichtet. Dass die Beklagte in dieser Situation unmittelbar nach dem Vorfall mit Rechtsbindungswillen erklären wollte, der Klägerin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz zu haften, ist ihrer Aussage nicht zu entnehmen. Eine Auslegung der behaupteten Erklärung der Beklagten nach dem Empfängerhorizont ergibt lediglich, dass sie ihr Bedauern darüber ausdrücken wollte, dass die Klägerin sich - bei einer gegebenenfalls möglichen Unfallbeteiligung der Beklagten - verletzt hatte. Dies erfolgte allein deshalb, weil die Klägerin in Gegenwart der Beklagten mit ihrem Pedelec gestürzt war und ist nicht mit der Erklärung der Beklagten, den Vorfall (allein) schuldhaft verursacht zu haben, zu verwechseln.
Auch dem Umstand, dass die Beklagte ihre Personalien angegeben hat, lässt sich kein solcher Erklärungswert beimessen. Denn hierzu war sie verpflichtet, wollte sie sich nicht des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallort aussetzen. Gemäß § 142 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer sich als Unfallbeteiligter nach einem Unfall im St...