Leitsatz (amtlich)
1. Die Erklärung eines Unfallbeteiligten am Unfallort, er habe das andere Fahrzeug "übersehen und trage die alleinige Schuld an dem Verkehrsunfall" stellt mangels erforderlichen Rechtsbindungswillens kein (deklaratorisches) Anerkenntnis dar.
2. Wie ein "Idealfahrer" im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG verhält sich nicht, wer statt rechts links an einer Verkehrsinsel vorbei nach rechts abbiegt, um von dort sofort nach links auf einen Parkplatz einzubiegen.
3. Ein solcher Ab- und Einbiegevorgang stellt auch einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 StVO dar, selbst wenn es kein Zeichen 222 (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) gibt, dass nur eine Vorbeifahrt rechts von der Verkehrsinsel zulässt.
4. Ein Verursachungsbeitrag des Unfallgegners lässt sich in einem solchen Fall hingegen grundsätzlich - ohne Darlegung besonderer Umstände - nicht damit begründen, er habe im konkreten Fall im Hinblick auf den eigenen Abbiegevorgang die zweite Rückschau nach § 9 Abs. 1 Satz 4 Hs. 2 StVO unterlassen können und müssen, um den falsch einbiegenden Gegenverkehr wahrzunehmen und dadurch den Unfall zu vermeiden.
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 011 O 261/18) |
Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die klägerische Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
Die Klägerin erhält Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 02.07.2018 gegen 20:45 Uhr in S, C-Straße/L-Pädgken in Anspruch.
An dem Verkehrsunfall waren die Tochter der Klägerin, die Zeugin N, als Fahrerin des in ihrem Eigentum stehenden Fahrzeugs des Typs Mazda 2 mit dem amtlichen Kennzeichen ...-... ...6 sowie der Beklagte zu 1 als Fahrer und Halter des bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Fahrzeugs des Typs VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen ...-... ...2 beteiligt.
Die Zeugin N befuhr die T-Straße in südlicher Fahrtrichtung in Richtung F. Sie passierte an der Einmündung der C-Straße zunächst eine Verkehrsinsel, die die zweispurige C-Straße in zwei Fahrbahnen teilt, und bog unmittelbar danach, also über die Gegenfahrbahn, rechts in die C-Straße ein, um nach wenigen Metern sofort nach links auf eine an die C-Straße angrenzende Parkfläche (L-Pädgken) des dort befindlichen Friedhofs zu fahren. Der Beklagte zu 1 befuhr aus O kommend die C-Straße in Richtung T-Straße. Kurz vor Erreichen des Kreuzungsbereichs C-Straße/T-Straße bog er seinerseits - nach einem Blick auf den von seiner Seite rechtsseitig gelegenen Rad- und Fußweg - nach rechts auf die Parkfläche des Friedhofs ein. Im Zufahrtsbereich des Parkplatzes kam es zu einer Kollision der beiden Fahrzeuge, deren genauer Hergang im Einzelnen streitig ist.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Schadensersatz aus abgetretenem Recht wegen der Beschädigung des Mazda 2 in Form von Reparaturkosten, merkantilem Minderwert, Sachverständigenkosten, Nutzungsausfall und der allgemeinen Unfallpauschale in Höhe von insgesamt 6.762,51 EUR sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 EUR.
Zur Begründung hat sie erstinstanzlich vorgetragen, der Unfall sei für die Zeugin N unvermeidbar gewesen. Der Beklagte zu 1 habe den klägerischen Mazda, der sich im Zeitpunkt der Kollision bereits vollständig auf dem Parkplatzgelände des Friedhofs befunden habe, aus Unachtsamkeit übersehen. Er sei gegen das stehende Fahrzeug gefahren. Dies ergebe sich schon aus der polizeilichen Unfallmitteilung. Der Beklagte zu 1 habe seine Schuld am Unfallort auch eingeräumt.
Die Beklagten haben behauptet, die Zeugin N habe die Fahrbahn des Beklagten zu 1 gekreuzt, nachdem dieser bereits mit seinem Abbiegevorgang begonnen habe. Die Zeugin habe ihr Fahrzeug verkehrswidrig in den Gegenverkehr gelenkt, womit er nicht habe rechnen müssen. Im Zeitpunkt der Kollision hätten sich beide Fahrzeuge in Bewegung befunden.
Wegen des Sachvortrags einschließlich der erstinstanzlichen Anträge wird im Übrigen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage nach persönlicher Anhörung des Beklagten zu 1, Vernehmung der Zeugen Q und U N, M L, K R und V H sowie Einholung eines schriftlichen Gutachtens nebst mündlicher Erläuterung durch den Sachverständigen I vom Sachverständigenbüro W abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Zeugin N habe den Unfall nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen vermeiden können, wenn sie den Beklagten zu 1 hätte passieren lassen oder nach links ausgewichen wäre. Ob der Unfall für den Beklagten zu 1 unabwendbar gewesen sei, könne dahinstehen. Eine Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 2 StVO führe jedenfalls zu keiner Haftung der Beklagten. Denn ursächlich für die Kollision sei ein mit dieser in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehender schuldhafter...