Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verkehrsteilnehmer muss mit einem Ausschwenken des Aufliegers eines abbiegenden Sattelzugs auf die Gegenfahrbahn rechnen.

2. Fährt er gleichwohl in den erkannten Gefahrenbereich hinein, verstößt er gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht des § 1 Abs. 2 StVO.

 

Normenkette

StVG §§ 17-18; StVO § 1 Abs. 2, § 7; VVG § 115

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 16 O 62/18)

 

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gegen das am 05.11.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Essen (Az. 16 O 62/18) nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, da sie nach einstimmiger Ansicht im Senat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht der Fortbildung des Rechts oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dient.

Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gegeben.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf 100%igen Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am xx.10.2016 auf der T-Straße/Einmündung "U-Park" in F ereignete. Beteiligt waren der Zeuge V als Fahrzeugführer des klägerischen Sattelzugs, einem zum Unfallzeitpunkt im Eigentum der T2 GmbH stehenden Leasingfahrzeugs, sowie der Beklagte zu 1., der einen bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten Schwertransporter steuerte. Die Leasinggeberin hat ihre Schadensersatzansprüche aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall an die Klägerin abgetreten.

Der Beklagte zu 1. bog von der T-Straße in die Einmündung "U-Park" ab, wobei das Heck seines Tiefladers, dessen hintere Achsen lenkbar waren, in die Gegenfahrbahn schwenkte.

Der Zeuge V näherte sich aus entgegengesetzter Richtung auf der T-Straße und wollte auf der Gegenfahrbahn an dem Beklagtenfahrzeug vorbeifahren, wobei es zur Kollision mit dem ausschwenkenden Auslieger kam.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands einschließlich der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat den Beklagten zu 1. persönlich angehört und die Zeugen V, A, N und A2 vernommen.

Sodann hat es die Beklagten zur Zahlung von 9.571,19 EUR sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 745,40 EUR, jeweils nebst Zinsen, verurteilt. Dies entspricht 50% der mit der Klage geltend gemachten Schadenspositionen (Reparaturkosten, Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs), einer allgemeinen Auslagenpauschale von 25,00 EUR sowie anteiligen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach einem entsprechenden Gegenstandswert.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, für keinen der beteiligten Fahrer habe es sich um ein unabwendbares Ereignis i.S.d. §17 Abs. 3 StVG gehandelt.

Sowohl der Beklagte zu 1. als auch der Zeuge V hätten gegen ihre sich aus § 1 Abs. 2 StVO ergebenden Sorgfaltspflichten verstoßen. Der Zeuge V habe den Abbiegevorgang des Beklagten zu 1. abwarten müssen. Als Fahrer eines Sattelschleppers habe ihm bekannt sein müssen, dass solche Fahrzeug einen erheblichen Radius beim Abbiegen benötigen und daher ein Ausscheren in die Gegenfahrbahn nicht unwahrscheinlich gewesen sei.

Der Beklagte zu 1. habe durch seinen Abbiegevorgang eine Gefahrenquelle geschaffen. Während diese angedauert habe, habe er die Pflicht gehabt, sich zu vergewissern, dass durch diese keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet würden. Allerdings sei er zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens bereits fast vollständig abgebogen, wie der Anstoßpunkt am Heck seines Fahrzeuges zeige.

Das jeweilige Verschulden sei gleich hoch zu bewerten.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Ansprüche mit Ausnahme der Auskunftskosten von 12,00 EUR vollumfänglich weiterverfolgt.

Sie macht geltend, der Unfall sei für den Zeugen V unabwendbar gewesen.

Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO sei ihm nicht zur Last zu legen.

Die Fahrspur des Zeugen sei während des gesamten Annäherungszeitraums frei gewesen. Da sich die Zugmaschine des Sattelschleppers des Beklagten zu 1. bereits mehrere Meter in der Straße "U-Park" befunden habe, habe für den Zeugen kein Grund zu der Annahme bestanden, das Fahrzeug würde nun noch in die Gegenfahrbahn ausscheren. Zudem habe er aufgrund der Verkehrssituation seine Geschwindigkeit verlangsamt. Die Lenkbarkeit der Hinterachse sei für ihn nicht voraussehbar gewesen. Ohne diese wäre das Fahrzeug nicht in den Gegenverkehr geraten.

Sie meint weiter, der Beklagte zu 1. hätte sich vergewissern müssen, dass kein Gegenverkehr nahte, bevor er den Abbiegevorgang, bei dem die Hinterachse in den Gegenverkehr ausscherte, beendete.

Die Klägerin beantragt,

1. das erstinstanzliche Urteil des Landgerichtes Essen vom 05.11.2018, Az. 16 O 62/18 dahingehend abzuändern, dass die Beklagten verurteilt werden, kostenpflichtig als Gesamtschuldner an sie weitere...

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