Ampel mit grünem Linkspfeil fällt plötzlich aus – wie ein Idealfahrer hätte reagieren müssen
Eine Autofahrerin wollte auf einer Kreuzung links einbiegen und ordnete sich deshalb auf der entsprechenden Spur vor der Linksabbieger-Ampel ein. Sie war noch bei Grünlicht in die Kreuzung eingefahren. Als sie abbog, war die Ampelanlage, inklusive der Fußgängerampel, aber ausgefallen.
Beim Abbiegen mit entgegenkommendem Omnibus kollidiert
Beim Abbiegen kam es dann zu einem Unfall mit einem Omnibus, der die Kreuzung geradeaus querte. Vor Gericht musste die Haftungsfrage geklärt werden. Das Landgericht war zu der Einschätzung gekommen, dass der Unfall für die Linksabbiegerin unabwendbar gewesen sei. Sie sei noch bei für sie geltendem Grünlicht in die Kreuzung eingefahren.
Aus der während des Abbiegevorgangs ebenfalls ausgefallenen Fußgängerampel habe sie nicht ableiten müssen, dass die ganze Ampelanlage ausgefallen sei. Denn diese Ampel habe sie vernachlässigen dürfen.
Wann für einen Autofahrer ein unabwendbares Ereignis vorliegt und wann nicht
Das OLG Schleswig kam zu einer anderen Beurteilung und sah kein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG. Dieses liege nur unter folgenden Bedingungen vor:
- Der Unfall konnte auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden.
- Dies erfordere ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus und damit das Verhalten eines Idealfahrers.
Ein unabwendbares Ereignis sei dann zu verneinen, wenn ein besonders umsichtiger Fahrer die Gefahr noch abgewendet hätte (vgl. OLG Frankfurt, Urteil v. 15.4.2014, 16 U 213/13).
Ein Idealfahrer hätte auch die Fußgängerampel im Auge haben müssen
Diesem hohen Maßstab eines Idealfahrers habe das Verhalten der Linksabbiegerin nicht genügt. Ein Idealfahrer hätte aus dem Ausfall der Fußgängerampel, der für die Linksabbieger erkennbar war, geschlossen, dass es eine Fehlfunktion der Ampelschaltung gebe. Dies hätte Anlass geben können, den Abbiegevorgang angesichts des Gegenverkehrs zunächst abzubrechen und dadurch den Unfall zu vermeiden.
Der Linksabbiegerin könne zwar kein Verkehrsverstoß vorgeworfen werden, weil sie die Fußgängerampel nicht beobachtet habe. Allerdings reiche die Nichtbeachtung dafür aus, ihr die Berufung auf ein unabwendbares Ereignis zu versagen.
Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Linksabbiegerin
Letztlich verbleibe zu Lasten der Linksabbiegerin die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs, die im vorliegenden Fall nicht zurücktrete. Das Gericht sah ein Fehlverhalten leichterer Art in einer Verkehrssituation, die nicht alltäglich ist (Ampelausfall).
Linksabbiegerin erhält – trotz ursprünglich grüner Ampel – nur 80 Prozent des Schadens ersetzt
Im Ergebnis kam das Gericht zu der Einschätzung, dass die Linksabbiegerin einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der an ihrem Pkw entstanden ist, in Höhe von 80 Prozent hat.
(OLG Schleswig, Urteil v. 20.09.2022, 7 U 201/21)
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