Leitsatz (amtlich)
Bei der Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz ist die materielle Rechtmäßigkeit der gemäß § 1 GewSchG ergangenen Anordnung zu überprüfen.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 18.11.2005) |
Tenor
Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Bielefeld hatte den Angeklagten am 20.06.2005 wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen in Höhe von je 15,- EUR verurteilt.
Mit dem angefochtenen Berufungsurteil hat das Landgericht Bielefeld die Berufung des Angeklagten verworfen.
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt und das Rechtsmittel mit der Verfahrensrüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO (Aufklärungsrüge) sowie mit der näher ausgeführten Sachrüge begründet.
II.
1.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen insbesondere hinsichtlich der Verfahrensrüge auf die Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift gemäß § 349 Abs. 3 StPO vom 01.02.2006 Bezug genommen werden.
2.
Anlass zu näheren Ausführungen gibt allein Folgendes:
Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuldspruch wegen eines Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz.
Das Landgericht hat insbesondere die Rechtmäßigkeit der gegen den Angeklagten ergangenen einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts Bielefeld vom 07.01.2005 - 42 C 20/05 AG Bielefeld - hinreichend festgestellt.
Das Landgericht war verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der gegen den Angeklagten ergangenen einstweiligen Verfügung im Rahmen des Schuldspruchs wegen des Verstoßes gegen § 4 des Gewaltschutzgesetzes festzustellen. Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien. In der Begründung zu § 4 des Gewaltschutzgesetzes (BT-Drucks. 14/5429, S. 32) ist ausgeführt, dass der Tatbestand des § 4 GewSchG dann nicht erfüllt ist, wenn sich bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der nach § 1 GewSchG ergangenen gerichtlichen Schutzanordnung durch das Strafgericht herausstellt, dass die Schutzanordnung nicht hätte ergehen dürfen, etwa weil der Täter die der Anordnung zugrunde gelegte Tat nicht begangen hat. Der Bundesrat hat hierzu um Klarstellung im weiteren Gesetzgebungsverfahren gebeten, dass im Strafverfahren wegen eines Verstoßes gegen gerichtliche Schutzanordnungen nicht zu prüfen sei, ob diese rechtmäßig ergangen sind. Insbesondere sei dem Anordnungsgegner, der der Auffassung sei, eine derartige zivilgerichtliche Anordnung sei nicht rechtmäßig ergangen, zuzumuten, gegen diese Entscheidung vor den Zivilgerichten vorzugehen. Deshalb solle klargestellt werden, dass das Strafgericht bei der Anwendung der genannten Strafvorschrift nicht überprüfen könne, ob die vollstreckbare gerichtliche Anordnung nach § 1 Abs. 1 S. 1 oder 3 GewSchG rechtmäßig ergangen sei, sondern lediglich, ob sie wirksam ergangen sei (BT-Drucks. 14/5429, S. 39). Diese Klarstellung hat die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich verweigert. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass Entscheidungen, die auf der Grundlage eines nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung durchzuführenden Verfahrens ergangen sind, insbesondere in den Fällen der möglichen Versäumnisurteile keine Gewähr für ihre "materielle Richtigkeit" böten (BT-Drucks. 14/5429, S. 42).
Damit steht fest, dass der Gesetzgeber von der Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der gemäß § 1 GewSchG ergangenen Anordnung ausgegangen ist und diese von den Strafgerichten verlangt.
Indes hat die Strafkammer hier im Einzelnen festgestellt, auf welche Weise der Angeklagte vorsätzlich insbesondere die Freiheit der geschädigten Zeugin P. widerrechtlich verletzt hatte. Insbesondere hat die Berufungskammer die wegen derartiger Taten gegen den Angeklagten ergangenen Strafurteile vom 05.11.2003 und vom 24.05.2004 festgestellt und auch die den genannten Verurteilungen zugrunde liegenden Feststellungen im Einzelnen in den Urteilsgründen wiedergegeben.
Danach war der Angeklagte am 05.11.2003 vom AG Bielefeld wegen einer am 07.07.2003 zum Nachteil der Zeugin begangenen Nötigung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe - der Angeklagte hatte der Zeugin eine scharfe Pistole FN Kaliber 7,65 mm als Nötigungsmittel an die Schläfe gehalten, um sie zur Aufrechterhaltung der Beziehung zu ihm zu zwingen - zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Die Strafaussetzung wurde widerrufen, nachdem das AG Bielefeld den Angeklagten am 24.05.2004 wegen einer weiteren am 02.03.2004 zum Nachteil der Zeugin begangenen Nötigung - diesmal begangen unter Einsatz eines Messers mit 15 cm Klingenlänge - zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt hatte.
Die Kammer hat darüber hinaus festgestellt, unter welchen Umständen der Angeklagte auch nach seiner Entlassung aus ...