Leitsatz (amtlich)

Eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle kann vorliegen, wenn eine Gehwegpflasterung unter Linden nach einer längeren Trockenperiode bei Nässe - durch das aufweichende, zuckerhaltige Sekret von Blattläusen - derart rutschig wird, dass Fußgänger, die mit dieser Gefahr nicht rechnen, stützen können. Dem Verkehrssicherungspflichtigen kann insoweit zuzumuten sein, vor der Gefahr zumindest durch eine gut sichtbare, geeignete Beschilderung zu warnen.

 

Normenkette

BGB § 839 i.V.m; GG Art. 34; StrWG NW §§ 9, 9a, 47

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 25 O 373/18)

 

Tenor

Der Senat weist nach Beratung darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.

 

Gründe

Die Berufung ist zulässig, hat aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Auch eine mündliche Verhandlung, von der neue entscheidungserhebliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Zu Recht hat das Landgericht der Klage teilweise stattgegeben. Die mit der Berufung gegenüber dem angefochtenen Urteil erhobenen Einwände rechtfertigen weder die Feststellung, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch ergeben sich daraus konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten. Die daher nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Der Klägerin steht wegen ihres Sturzes auf dem Gehweg der Straße "B" am 02.08.2016 gegen 11. 24 Uhr jedenfalls in der vom Landgericht ausgeurteilten Höhe ein Schadensersatzanspruch gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 9, 9a, 47 StrWG gegen die Beklagte zu.

1. Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass die Klägerin beim Anfahren mit ihrem Fahrrad auf den roten Pflastersteinen in der B-Straße ausgerutscht und gestürzt ist, sind diese Feststellungen für den Senat bindend. Der Umstand, dass sie auf die Anhörung der Klägerin und die Aussagen der Zeugen C und D gestützt ist, welche nicht von der erkennenden Einzelrichterin, sondern von deren Dezernatsvorgängerin vernommen worden seien, begründet keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 ZPO und steht ihrer Vollständigkeit und Richtigkeit nicht entgegen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher der erkennende Senat folgt (vgl. Urteil vom 18.10.2016 zu XI ZR 145/14, NJW 2017, S. 1313 m.w.N.), erfordert ein Richterwechsel nach einer Beweisaufnahme nicht grundsätzlich deren Wiederholung. Frühere Zeugenaussagen können vielmehr im Wege des Urkundenbeweises durch Auswertung des Vernehmungsprotokolls verwertet werden. Das Gericht darf dann bei der Beweiswürdigung nur das berücksichtigen, was aktenkundig ist und wozu die Parteien sich erklären konnten. Eindrücke, die nicht in das Verhandlungsprotokoll aufgenommen worden sind, zu denen also die Parteien auch keine Stellung nehmen konnten, dürfen nach einem Richterwechsel bei der Entscheidung nicht verwertet werden.

Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung. Die Beweiswürdigung stützt sich maßgeblich auf den Umstand, dass die Darstellung der Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung mit den Aussagen der Zeugen C und D übereinstimmt. Die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Zeugen wird mit dem Argument begründet, dass diese am Ausgang des Rechtsstreits kein eigenes Interesse und keine einseitige Belastungstendenz gezeigt hätten. Diese Würdigung beruht nicht auf dem Eindruck von den Zeugen aufgrund einer persönlichen Erinnerung der vernehmenden Richterin. Vielmehr handelt es sich um allgemeine Erwägungen, zu welchen die erkennende Richterin nach dem protokollierten Inhalt der Aussage kommen konnte.

Daher kann bereits dahinstehen, ob es für die Feststellung des Unfallhergangs der Vernehmung der Zeugen überhaupt bedurfte hätte. Denn bereits der von der Klägerin dargestellte Unfallhergang ist nach den Umständen, welche die Beklagte selbst zugesteht, dass nämlich das in der B-Straße verlegte Pflaster nach einem nach einer Trockenperiode einsetzenden Regen aufgrund des Aufweichens von zuckerhaltigem Sekret von Blattläusen aus neben dem Weg befindlichen Lindenbäumen zur Glättebildung neigt, am Folgetag eine weitere Person darauf ebenfalls stürzte und schon vor dem Sturz der Klägerin durch die Beklagte erwogen worden war, das offenbar bei derartigen Verhältnissen zur Glättebildung neigende rote Pflaster auszutauschen, in einem besonders hohen Maße plausibe...

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