Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 115 O 151/21)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

 

Gründe

I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

1. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe aus der Berufungsbegründung vom 18.05.2022 (Bl. 32 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz, im Folgenden: eGA-II; für die erste, noch in Papierform geführte Instanz GA-I) greifen nicht durch.

a) Der Kläger kann nicht die Feststellung der Unwirksamkeit der Anpassungen zum 01.01.2012, 01.01.2015 und 01.01.2016 beanspruchen.

Diese Anpassungen waren in formeller Hinsicht sämtlich von Beginn an wirksam.

aa) Rechtlich gilt insoweit:

Das in § 203 Abs. 5 VVG normierte Begründungserfordernis hat den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat.

Das wird durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat, erreicht (BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 314/19, r+s 2021, 95 und BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240). Wie der Bundesgerichtshof hat in den genannten Entscheidungen ausgeführt hat, ergibt sich insbesondere auch aus der Gesetzgebungsgeschichte, dass das Begründungserfordernis in § 203 Abs. 5 VVG den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, ob eine Veränderung bei den kalkulierten Leistungsausgaben oder bei den Sterbewahrscheinlichkeiten zu der Anpassung geführt hat. Denn unter Geltung der Vorgängerregelung des § 178g Abs. 4 VVG a.F. war nur eine Benachrichtigung vorgesehen, weil seinerzeit nur eine Veränderung bei den kalkulierten Versicherungsleistung eine Prämienanpassung auslösen konnte. Erst das Hinzutreten der Sterbewahrscheinlichkeiten als zweite Rechnungsgrundlage war für den Gesetzgeber Veranlassung, in § 203 Abs. 5 VVG das Begründungserfordernis zu normieren.

Dagegen ist es für diesen Zweck nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts oder die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitzuteilen (BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 314/19, r+s 2021, 95 und BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240.

bb) Danach gilt hier:

(1) Bei Anlegung der soeben dargelegten Maßstäbe genügt nach der tatrichterlichen Würdigung des Senats die von der Beklagten gegebene Begründung für die Anpassung zum 01.01.2016 den soeben dargestellten Anforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG.

Dies hat der Senat für eine inhaltlich identische Begründung bereits mehrfach entschieden (Senat, Beschluss vom 04.05.2022 - 20 U 89/22, n.v.; Senat, Beschluss vom 17.05.2022 - 20 U 88/22, n.v.). In der zuletzt zitierten Entscheidung hat der Senat dazu ausgeführt:

Die [...] Erläuterungen der Anpassung zum 01.01.2016 im Anschreiben und im Merkblatt legen zutreffend und unmissverständlich dar, dass die Beklagte gesetzlich verpflichtet ist, jährlich die kalkulierten mit den tatsächlich ausgezahlten Leistungen, also den Versicherungsleistungen, zu vergleichen. Hinweise auf eine Überprüfung anderer Rechnungsgrundlagen als auslösende Faktoren finden sich an keiner Stelle und werden vom Kläger auch nicht aufgezeigt. Das Informationsblatt weist lediglich - zutreffend - darauf hin, dass bei Abweichungen von kalkulierten und tatsächlichen Leistungsausgaben auch alle anderen Rechnungsgrundlagen in die Neukalkulation einzubeziehen sind. Daraus kann ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer unschwer erkennen, dass die Anpassung durch erhebliche Abweichungen bei den Versicherungsleistungen ausgelöst wurde und die Anpassung nicht im Ermessen des Versicherers liegt. Entgegen der Ansicht des Klägers muss der Versicherer nicht mitteilen, welche konkreten Ergebnisse die Überprüfung ergeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 314/19, r+s 2021, 95 und BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240).

Hieran hält der Senat nach erneuter Prüfung auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers fest.

(2) Auch hinsichtlich der Anpassungen zum 01.01.2012 und zum 01.01.2015 hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht einen Feststellungsanspruch des Klägers verneint.

(a) Allerdings lässt sich dies, anders als das Landgericht angenommen hat, nicht schon mit der formellen Wirksamkeit der späteren, zum 01.01.2016 vorgenommenen Anpassung begründen.

Es trifft zwar zu, dass die formelle Unwirksamkeit einer Beitragsanpa...

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