Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitskostenversicherung, Prämienanpassung: Anpassungsbegründung und "Schwellenwert"
Leitsatz (amtlich)
Die Begründung einer Prämienerhöhung in der privaten Krankheitskostenversicherung muss nicht ausdrücklich ansprechen, dass es einen Schwellenwert gibt, der überschritten ist. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht ein solches Erfordernis nicht; dieser hat die Rechtsfragen geklärt. Abweichende Entscheidungen anderer Tatgerichte stehen daher einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen.
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 115 O 151/21) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 16.03.2022 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 3.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich gegen Beitragsanpassungen im Rahmen eines zwischen den Parteien bestehenden Vertrages über eine Krankheitskostenversicherung.
Die Beklagte erhöhte in verschiedenen Tarifen die Prämie jeweils zum 01.01.2012, 01.01.2015 und 01.01.2016. Dazu übersandte sie dem Kläger jeweils im vorletzten Monat vor Wirksamwerden der Anpassungen Schreiben, wegen deren Inhalt verwiesen wird auf
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Anpassungen, die Rückzahlung vermeintlich überzahlter Prämien, die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe von Nutzungen sowie schließlich die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Tarifs X hat es zur Begründung ausgeführt, dass die Anpassung zum 01.01.2016 wirksam sei. Damit sei auch eine etwaige Unwirksamkeit früherer Anpassungen in diesem Tarif geheilt worden. Ob diese tatsächlich unwirksam gewesen seien, könne dahinstehen, da insoweit bestehende Ansprüche jedenfalls verjährt wären.
Das greift der Kläger mit seiner Berufung an. Er meint weiterhin, die Anpassungen in dem Tarif X - nebst dem gesetzlichen Zuschlag Y - zum 01.01.2012, 01.01.2015 und 01.01.2016 seien formell unwirksam. Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vorbringens hierzu wird auf die Berufungsbegründung vom 18.05.2022 verwiesen. Eine Unwirksamkeit aus materiellen Gründen macht er demgegenüber nicht geltend.
Der Senat hat durch Beschluss vom 02.06.2022 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Dazu hat der Kläger Stellung genommen und sein Vorbringen vertieft. Insbesondere meint er, die Beklagte hätte in den Begründungen angeben müssen, dass eine Anpassung nur bei der Überschreitung eines bestimmten Schwellenwertes möglich sei. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf den Schriftsatz des Klägers vom 21.06.2022.
II. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
1. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe aus der Berufungsbegründung vom 18.05.2022 (Bl. 32 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz, im Folgenden: eGA-II; für die erste, noch in Papierform geführte Instanz GA-I) greifen - auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Klägers vom 21.06.2022 - nicht durch.
a) In seinem Hinweisbeschluss vom 02.06.2022 hat der Senat ausgeführt:
a) Der Kläger kann nicht die Feststellung der Unwirksamkeit der Anpassungen zum 01.01.2012, 01.01.2015 und 01.01.2016 beanspruchen.
Diese Anpassungen waren in formeller Hinsicht sämtlich von Beginn an wirksam.
aa) Rechtlich gilt insoweit:
Das in § 203 Abs. 5 VVG normierte Begründungserfordernis hat den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat.
Das wird durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat, erreicht (BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 314/19, r+s 2021, 95 und BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240). Wie der Bundesgerichtshof hat in den genannten Entscheidungen ausgeführt hat, ergibt sich insbesondere auch aus der Gesetzgebungsgeschichte, dass das Begründungserfordernis in § 203 Abs. 5 VVG den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, ob eine Veränderung bei den kalkulierten Leistungsausgaben oder bei den Sterbewahrscheinlichkeiten zu der Anpassung geführt hat. Denn unter Geltung der Vorgängerregelung des § 178g Abs. 4 VVG a.F. war nur eine Benachrichtigung vorgesehen, weil seinerzeit nur eine V...