Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an die Begründung der Entscheidung von einem Fahrverbot absehen zu wollen.
Verfahrensgang
AG Essen (Entscheidung vom 01.04.2005) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird - unter Verwerfung der Rechtsbeschwerde im Übrigen - im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Essen hat durch das angefochtene Urteil gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer geschlossenen Ortschaft eine (erhöhte) Geldbuße von 300,- EUR verhängt; von der Verhängung eines Fahrverbotes wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV hat das Amtsgericht abgesehen.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 14.08.2004 gegen 07.51 Uhr die BAB 40 in Fahrtrichtung Bochum in Höhe Schönscheidtstraße in Essen außerhalb geschlossener Ortschaft, wobei die gemessene 136 km/h betrug. Das Gericht ging nach Abzug eines Toleranzwertes von 5 km/h von einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 31 km/h aus.
Das Verkehrszentralregister weist nach den Feststellungen aus, dass der Betroffene zuvor im Oktober 2003 die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 39 km/h überschritten hatte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Essen mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Sie ist ausweislich der Rechtsbeschwerdebegründung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel der örtlichen Staatsanwaltschaft mit näheren Ausführungen beigetreten.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg, denn die Rechtsfolgenentscheidung des angefochtenen Urteils weist einen durchgreifenden materiell-rechtlichen Rechtsfehler auf.
Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 6. Juli 2005 Folgendes ausgeführt:
"Das angefochtene Urteil ist bereits deshalb im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben, weil die Urteilsfeststellungen des Amtsgerichts dem Rechtsbeschwerdegericht nicht die Prüfung ermöglichen, ob das Gericht von der Verhängung eines Fahrverbotes zu Recht abgesehen hat. Die Verhängung des Fahrverbotes nach § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV kommt nur dann in Betracht, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeuges wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht. Diese Voraussetzungen hat das Amtsgericht im angefochtenen Urteil nicht dargelegt, da es weder das Datum des Bußgeldbescheides noch das maßgebliche Datum der Rechtskraft mitteilt. Ohne Angabe der Rechtskraft des vorgenannten Bußgeldbescheides kann das Rechtsbeschwerdegericht aber nicht überprüfen, ob die Rechtskraft zum Zeitpunkt der nunmehr zu ahndenden Verkehrsordnungswidrigkeit bereits eingetreten war. Die Angabe des Datums der Rechtskraft des Bußgeldbescheides ist daher unbedingt erforderlich (zu vgl. Senatsbeschluss vom 16.04.1998 - 3 Ss OWi 414/98 -; OLG Hamm, Beschluss vom 20.01.2003 - 2 Ss OWi 1148/02 -).
Überdies rechtfertigen die Erwägungen des Amtsgerichts weder für sich genommen noch unter Gesamtwürdigung aller Umstände das Absehen von der Verhängung eines gem. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV bei einem Verstoß gegen § 25 Abs. 1 S. 1 StVG regelmäßig vorgesehenen Fahrverbots von einem Monat. Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz der Verwirklichung eines Regeltatbestandes der Bußgeldkatalogverordnung der Einzelfall einen solchen Ausnahmecharakter hat, dass von einem Fahrverbot abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (BGH, NZV 1992, 286 (287)). Dem Tatrichter ist insoweit jedoch kein rechtlich ungebundenes freies Ermessen eingeräumt, das nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern hin von dem Beschwerdegericht überprüfbar wäre, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte und von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnitts- oder Regelfalles, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (Senatsbeschlüsse vom 13.11.2001 - 3 Ss OWi 951/01 - und vom 22.08.2002 - 3 Ss OWi 620/02 -). Zwar kann in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass durch die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Betroffenen gefährdet werde, das Absehen von ...