Leitsatz (amtlich)
Stützt der Tatrichter den Schuldspruch auf ein Sachverständigengutachten, so ist in den Urteilsgründen eine verständliche und in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung erforderlich.
Verfahrensgang
AG Herne-Wanne (Entscheidung vom 23.04.2004) |
Tenor
Das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 23. April 2004 wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Herne-Wanne zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 170,00 EUR verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene urteil aufzuheben.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg.
Das Amtsgericht hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
"Am 16.05.2003 gegen 9.50 Uhr befuhr der Betroffene mit dem Pkw, Fabrikat Audi, mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXX die BAB 42, Fahrtrichtung Dortmund, in Herne. Zu dieser Zeit führten Beamte der Autobahnpolizei Münster bei KM 42,35 mit dem Messgerät MU VR 6 F der Firma Robot, das bis zum 31.12.2004 geeicht war, eine gezielte Geschwindigkeitsüberwachung über die Einhaltung der an dieser Stelle durch Verkehrszeichen 274 angeordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h durch. Dabei wurde der von dem Betroffenen gesteuerte Pkw mit einer Geschwindigkeit von 152 km/h gemessen."
Der Betroffene hat bestritten, im Zeitpunkt des festgestellten Verkehrsverstoßes Fahrer des Pkw gewesen zu sein. Das Amtsgericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt und den Sachverständigen in der Hauptverhandlung vernommen. Auf das vom Verkehrsverstoß gefertigte Lichtbild ist im angefochtenen Urteil nicht Bezug genommen worden. Seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen hat der Tatrichter wie folgt begründet:
"Der Betroffene hat sich jedoch dahin eingelassen, zum Zeitpunkt der Geschwindigkeitsmessung das Fahrzeug nicht geführt zu haben. Auf dem Beweisfoto könne er sich nicht erkennen. Als Fahrer kämen mehrere seiner Mitarbeiter in Betracht. Er könne jedoch keinen anderen Verdächtigen konkret benennen.
Zur Klärung der Frage, ob der Betroffene Fahrer des oben genannten Pkw zur Tatzeit gewesen ist, welches ihm als Firmenfahrzeug zur Verfügung steht, hat das Gericht neben der Inaugenscheinnahme des Betroffenen, der erhebliche Ähnlichkeit mit der Person aufweist, die auf dem Radarfoto abgebildet ist, zur Ausschließung letzter Zweifel einen Sachverständigen für anthropologische Vergleichsgutachten beauftragt.
In der Hauptverhandlung ist der Sachverständige Dr. Cornelius Sch. zu dem Ergebnis gekommen, daß der Betroffene ohne jeden Zweifel der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen ist. Der Sachverständige hat dabei diverse spezifische Merkmale der Person auf dem Lichtbild in Vorbereitung des Termins erfaßt und diese mit dem Betroffenen im Rahmen der Hauptverhandlung gegenübergestellt. Dabei hat sich nicht in einem einzigen Punkt eine Abweichung zwischen den Personen ergeben.
Die wichtigsten Punkte lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
Stirnbereich:
freie Stirn, Haaransatz liegt weit zurück
Augenbrauen (links):
geringe Dichte
Oberlidregion:
Abstand zwischen Augenbraue und Augenebene gering
Nasenrückenprofilierung:
geradlinige Form, Nasenkuppe nicht verbreitert
Hautoberlippe:
Nasenlippenfurchen stark ausgeprägt, Lippenrotanteil unten stärker betont
Hautunterlippe:
Kinnlippenfurche vorhanden
Kinnregion:
breiter Kinnvorderrandverlauf, Kinn steht deutlich nach vorn vor
Wangenbeine:
seitlich deutliche Betonung, Hervorspringen
Gesichtsform:
Rautenform
Ohr:
oberer Bogen engbogig, absteigender Teil verläuft geradlinig, Ohrläppchenzone schräg zur Wangenhaut
Der Sachverständige hat ausgeführt, dass sich bei keinem Merkmal eine irgendwie geartete Abweichung ergeben hätte. Bei fremden Personen wären jedoch solche von 80 % und bei engen Blutsverwandten solche von mindestens 30% zu erwarten gewesen.
Zu seiner Methodik hat er ausgeführt, er werte die ihm zur Verfügung gestellten Lichtbilder unter Zuhilfenahme verschiedener technischer Hilfsmittel wie Lupe und Epidiaskop aus. Das ihm zur Verfügung gestellte Bildmaterial sei von auswertbarer Qualität. Von der Gesichtskontur seien genügend Einzelheiten abzunehmen gewesen. Nach Auswertung der Bilder werde eine jederzeit nachvollziehbare Merkmalserfassung erstellt. Bei der Gegenüberstellung in der Hauptverhandlung versuche er dann, die zuvor festgestellten Merkmale bei der lebenden Person wiederzufinden. Dies sei vorliegend zu 100% möglich gewesen. Das Gericht hat sich dieser Einschätzung des Sachverständigen, dessen Sachkunde...