Entscheidungsstichwort (Thema)
Einholung von Sachverständigengutachten
Leitsatz (amtlich)
1) Die Einholung von zwei Sachverständigengutachten ist für die Entscheidung nach § 8 TSG auch dann zwingend erforderlich, wenn in einem vorausgegangenen Verfahren nach § 1 TSG bereits eine Vornamensänderung ausgesprochen und dort zu den inhaltsgleichen Voraussetzungen zwei Sachverständigengutachten eingeholt worden sind.
2) Die mit der erneuten Gutachtenerstattung verbundenen Belastungen sind dem Antragsteller zumutbar.
Normenkette
TSG §§ 4, 8-9
Verfahrensgang
AG Dortmund (Beschluss vom 08.12.2012; Aktenzeichen 302 III 22/10) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die gem. §§ 9 Abs. 3, 4 Abs. 1 TSG, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das AG hat zu Recht und mit zutreffender Begründung den Antrag der Beteiligten auf Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit gem. § 8 TSG zurückgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Voraussetzung für die von der Beteiligten begehrte Feststellung nach § 8 TSG ist gem. §§ 9 Abs. 3 S. 1, 4 Abs. 3 TSG die Einholung von zwei Sachverständigengutachten zu der Frage, ob die Voraussetzungen des § 8 TSG erfüllt sind. Da die Beteiligte die Begutachtung verweigert, kann die begehrte Feststellung nicht getroffen werden.
Entgegen der Auffassung der Beteiligten können in diesem Zusammenhang nicht die im Rahmen des Verfahrens 302 III 21/07 des AG Dortmund zur Änderung des Vornamens i.S.v. § 1 TSG eingeholten Gutachten vom 18.12.2007 und vom 8.2.2008 herangezogen werden. Das Gesetz sieht ganz ausdrücklich sowohl für die Änderung des Vornamens als auch für die Änderung i.S.v. § 8 TSG die Einholung von zwei Sachverständigengutachten vor. Wie sich aus § 9 Abs. 3 S. 2 ergibt, hat der Gesetzgeber dabei durchaus berücksichtigt, dass die Änderungen nach § 1 TSG und nach § 8 TSG ggf. nicht in einem Verfahren erfolgen, da ausdrücklich geregelt ist, dass mit der Änderung i.S.v. § 8 TSG auch der Vorname zu ändern ist, wenn dieser nicht bereits aufgrund von § 1 TSG geändert wurde. Eine Bezugnahme auf frühere Gutachten oder eine Entbehrlichkeit weiterer Gutachten ist gesetzlich für diesen Fall nicht als Ausnahme geregelt. Die Gutachten müssen zu der Frage Stellung nehmen, ob sich das Zugehörigkeitsempfinden der antragstellenden Person mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird und ob diese seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren transsexuellen Vorstellungen entsprechend zu leben. Sichere Rückschlüsse darauf, dass die Feststellungen der früheren Begutachtung weiterhin Bestand haben, sind schon aufgrund des Zeitablaufs nicht möglich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beteiligte sich zwischenzeitlich einer geschlechtsumwandelnden Operation unterzogen hat.
Eine andere Auslegung der gesetzlichen Regelung ist auch unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschluss vom 11.1.2011; 1 BvR 3295/07, NJW 2011, 909; Beschluss vom 27.10.2011, 1 BvR 2027/11, NJW 2012, 600) nicht angezeigt. Das BVerfG hat im Rahmen der Entscheidung vom 11.1.2011 die Regelungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG, die eine personenstandsrechtlichen Änderung des empfundenen Geschlechts von einer operativen Anpassung der äußeren Geschlechtsmerkmale und einer dauerhaften Fortpflanzungsunfähigkeit abhängig machen, für verfassungswidrig erklärt. Dies liegt darin begründet, dass die derzeitige gesetzliche Regelung zur Änderung der rechtlichen Zuordnung zum nachhaltig empfundenen Geschlecht insoweit von unzumutbaren Voraussetzungen abhängig gemacht wird.
Allerdings hat das BVerfG in diesem Zusammenhang auch ausgeführt, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber die personenstandsrechtliche Geschlechtsbestimmung von objektivierbaren Voraussetzungen in Form von zwei Gutachten zur Feststellung der Stabilität und Irreversibilität des transsexuellen Wunsches abhängig macht. Da das Geschlecht maßgeblich für die Zuweisung von Rechten und Pflichten sein kann und von ihm familiäre Zuordnungen abhängig sind, ist es ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, dem Personenstand Dauerhaftigkeit und Eindeutigkeit zu verleihen, ein Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit möglichst zu vermeiden und einer Änderung des Personenstandes nur stattzugeben, wenn dafür tragfähige Gründe vorliegen und ansonsten verfassungsrechtlich verbürgte Rechte unzureichend gewahrt würden. Die Dauerhaftigkeit und Irreversibilität des empfundenen Geschlechts eines Transsexuellen lässt sich nicht am Grad der Anpassung seiner äußeren Geschlechtsmerkmale an das empfundene Geschlecht mittels operativer Eingriffe messen, sondern ist daran festzustellen, wie konsequent der oder die Transsexuelle in seinem empfundenen Geschlecht lebt u...