Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 30.05.2016; Aktenzeichen 17 OH 22/15)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 25.06.2016 wird der Beschluss des LG Essen vom 30.05.2016 abgeändert und die Vergütung des Beteiligten zu 1. für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens vom 24.04.2016 antragsgemäß auf 3.651,14 EUR festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Beteiligte zu 1. wurde mit Verfügung des LG Essen vom 17.01.2016 (Bl. 31 GA) mit der Gutachtenerstellung in dem zugrundeliegenden selbständigen Beweisverfahren beauftragt. Dabei wurde er darauf hingewiesen, dass eine Mitteilung erforderlich ist, wenn der Vorschussbetrag von 2.500,- EUR überschritten wird. Mit Schreiben vom 24.04.2016 (Bl. 159 GA) teilte der Sachverständige mit, dass das Gutachten fertiggestellt worden sei und am nächsten Tag versandt werde. Es müsse weiterer Vorschuss angefordert werden. Aus diesem Grund übersandte er eine Rechnung vom 24.04.2016 über 3.651,14 EUR (Bl. 190 GA).

Das LG setzte mit Beschluss vom 30.05.2016 (Bl. 168 ff. GA) die Vergütung gemäß § 8a Abs. 4 JVEG auf 2.500,- EUR fest. Der Beteiligte zu 1. habe seine Hinweispflicht gemäß § 407 Abs. 3 S. 2 ZPO schuldhaft verletzt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 25.06.2016 (Bl. 215 f. GA). Diese begründet er mit Schreiben vom 13.09.2016 (Bl. 245 f. GA) insbesondere damit, dass die Antragstellerin, die Antragsgegnerin und die Streitverkündete zu 1. sich schriftsätzlich mit seiner vollen Vergütung einverstanden erklärt hätten. Entsprechende Erklärungen liegen mit den Schriftsätzen der Streitverkündeten zu 1. vom 19.07.2016 (Bl. 249 f. GA), der Antragstellerin vom 01.08.2016 (Bl. 251 f. GA) und der Antragsgegnerin vom 04.08.2016 (Bl. 253 GA) tatsächlich vor.

II. Die gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässige Beschwerde ist auch begründet.

Abweichend vom angefochtenen Beschluss des LG Essen vom 30.05.2016 (Bl. 168 ff. GA) ist die Vergütung auf den mit der Rechnung des Sachverständigen vom 24.04.2016 (Bl. 190 GA) geltend gemachten Betrag von 3.651,14 EUR festzusetzen.

Zwar hat es der Sachverständige unterlassen, einen rechtzeitigen Hinweis nach § 407a Abs. 3 S. 2 ZPO dahingehend zu erteilen, dass der angeforderte Auslagenvorschuss voraussichtlich erheblich überschritten wird. Mangels Exkulpation wären damit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 8a Abs. 4 JVEG erfüllt, so dass die Vergütung grundsätzlich auf die Höhe des Auslagenvorschusses (2.500,- EUR) zu begrenzen wäre.

Im vorliegenden Fall ist jedoch nach Auffassung des Senats trotz des insoweit klaren und eindeutigen Wortlautes der Vorschrift eine an Sinn und Zweck der Norm orientierte einschränkende Auslegung geboten. Die Vorschrift bezweckt in erster Linie den Schutz der Parteien. Die Parteien haben ein schutzwürdiges Interesse an der Abwägung des Prozessrisikos gegen das Kostenrisiko (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 31. Auflage 2016, § 407a Rn. 3a). Durch die Hinweispflicht soll den Parteien die Gelegenheit gegeben werden, von einer kostspieligen Beweisaufnahme Abstand zu nehmen und sich ggf. gütlich zu einigen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Auflage 2014, § 8a JVEG Rn. 33), zumal schon mancher Prozessvergleich durch die Erkenntnis der Prozessökonomie beflügelt wurde (vgl. Zöller-Greger, a.a.O.). Mit diesem vom Gesetz beabsichtigten Schutzzweck der Hinweispflicht korrespondiert die vergütungsrechtliche Folge für den Sachverständigen. Im vorliegenden Fall würde dieser Schutzzweck jedoch auch bei Festsetzung der gesamten Vergütung nicht verfehlt, da sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin des selbständigen Beweisverfahrens deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass gegen einen vollständigen Vergütungsausgleich des Sachverständigen keine Bedenken bestünden. Die Antragstellerin hat sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Sachverständige das Verfahren durch eine zügige Bearbeitung und zeitlich flexible Terminierung der Ortstermine sehr gefördert habe. Die verspätete Vorschussanforderung solle daher nicht ins Gewicht fallen. Da die Kosten des Sachverständigen nur den Parteien des selbständigen Beweisverfahrens, nicht hingegen den beigetretenen Streitverkündeten - bei diesen geht es nur um die Erstattung derer Kosten - auferlegt werden können, sind die Erklärungen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin ausreichend. Entgegen der Auffassung des Leiters des Dezernats 10 beim Oberlandesgericht Hamm in dessen Stellungnahme vom 24.11.2016 (Bl. 260 ff. GA) kommt es daher nicht auf die bislang noch nicht vorliegende Zustimmungserklärung der weiteren Streitverkündeten im zugrundeliegenden selbständigen Beweisverfahren an.

Dies gilt auch im Hinblick auf das vom weiteren Gesetzeszweck geschützte Interesse der Landeskasse, Zahlungsausfällen vorzubeugen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14.10.2014, 10 U 104/11; zitiert nach beck-online). Durch die eindeutigen Erklärungen der Parteien ist nicht zu befürchten, dass diese e...

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