Leitsatz (amtlich)
1. § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 JVEG enthält ein redaktionelles Versehen, wenn dort auf einen Verstoß gegen die Verpflichtungen aus § 407a Abs, 1 bis Abs. 4 Satz 1 ZPO verwiesen wird und sich daraus eine teilweise Überschneidung mit § 8a Abs. 1 JVEG wegen der dort ebenfalls angesprochenen Obliegenheiten aus § 407a Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO ergibt; in der Konsequenz ist die Verwertbarkeit eines von dem abgelehnten Sachverständigen erstellten Gutachtens im Anwendungsbereich des § 8a Abs. 1 JVEG nicht relevant.
2. Eigene Versäumnisse des Kostenschuldners hinsichtlich der Anzeige einer Vorbefassung des später erfolgreich abgelehnten Sachverständigen sind im Rahmen eines Verfahrens nach § 66 GKG über die Berechtigung des Ansatzes seiner Vergütung nicht zu berücksichtigen, weil § 8a Abs. 1 JVEG allein an die (Nicht)Beachtung von Obliegenheiten durch diesen selbst anknüpft.
Verfahrensgang
LG Stralsund (Aktenzeichen 4 OH 3/16) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 30.10.2020 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die in der Gerichtskostenrechnung vom 07.07.2020 enthaltene Vergütung für die Tätigkeit des Sachverständigen Dipl.-Ing. H. Z. in Höhe von 14.112,25 EUR wird nicht erhoben.
II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Ansatz der Auslagen für die Vergütung eines im Verlaufe des vorliegenden selbständigen Beweisverfahrens erfolgreich abgelehnten Sachverständigen in der Gerichtskostenrechnung.
Der betreffende Sachverständige war mit der Erstellung eines Gutachtens im Hinblick auf die Mangelhaftigkeit einer Fußbodenheizungsanlage in dem Objekt der als Antragstellerin auftretenden Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragt worden. Er hat in der Folge neben dem Hauptgutachten drei Ergänzungsgutachten erstellt und seine Feststellungen in zwei Terminen mündlich erläutert. Nachdem in dem letzteren dieser beiden Termine bekannt wurde, dass der Sachverständige einige Jahre zuvor ein Privatgutachten für eine der zu der Antragstellerin gehörenden Wohnungseigentümerinnen zu einer identischen Teilfrage erstellt hatte, lehnten ihn die Antragsgegnerin und die Streithelferin zu 1) als befangen ab; das Landgericht erklärte das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 19.03.2019 für begründet.
Das Landgericht hat im weiteren Verlauf mit Beschluss vom 26.09.2019 die Vergütung des Sachverständigen auf 14.112,25 EUR festgesetzt und gleichzeitig einen Antrag der Antragstellerin auf Versagung der Vergütung zurückgewiesen. Das Landgericht hat dazu unter anderem ausgeführt, ein zu vertretendes Unterlassen des Sachverständigen bezüglich der Anzeige von Umständen, die zu seiner Ablehnung durch einen Beteiligten berechtigten, sei nicht festzustellen. Angesichts des Zeitablaufes zwischen der Erstellung des Privatgutachtens Ende des Jahres 2012 und seiner Beauftragung in der vorliegenden Sache im Juni 2016 sei bei der Zahl ihm seitens des Gerichts und privater Dritter erteilter Aufträge seine Angabe glaubhaft und nachvollziehbar, dass ihm erst auf den konkreten Vorhalt des Privatgutachtens in dem Erläuterungstermin am 01.02.2019 wieder die Erinnerung an die betreffende Beauftragung durch die Wohnungseigentümerin gekommen sei. Hinzukomme, dass die Leistung des Sachverständigen im Hinblick auf die Antragstellerin als Kostenschuldnerin bis auf einen geringfügigen, von dem Ablehnungsgrund betroffenen Teilbereich verwertbar sei. Die Antragstellerin könne sich im Übrigen nach Treu und Glauben nicht auf eine Kostenfreiheit gemäß § 8a JVEG berufen, weil sie eine Offenbarung der Vorbefassung des Gutachters selbst versäumt habe.
Die für den abgelehnten Sachverständigen festgesetzte Vergütung ist der Antragstellerin nach dem Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens mit Datum vom 07.07.2020 im Rahmen der Gerichtskosten in Rechnung gestellt worden.
Dagegen hat die Antragstellerin Erinnerung erhoben. Sie hat geltend gemacht, der Sachverständige habe nach seiner Bestellung unverzüglich darauf hinweisen müssen, dass er mit der Angelegenheit durch eine der Wohnungseigentümerinnen der Antragstellerin bereits befasst gewesen sei. Weil sich die jeweils verfolgten Ziele gedeckt hätten, sei ein Interessenkonflikt für den Sachverständigen von vornherein erkennbar gewesen. Auf Vorhalt habe er zudem eingeräumt, dass er sich an die Erstellung des Privatgutachtens jedenfalls "dunkel" erinnere. Wegen des von ihm geschilderten Besuches zahlreicher Fortbildungen zum Thema Befangenheit habe dem Sachverständigen die Problematik geläufig sein müssen. Im Übrigen werde das Vertreten müssen im Rahmen von § 8a Abs. 1 JVEG vermutet. Ein Verweis auf den Zeitablauf sei nicht geeignet, diese Vermutung zu widerlegen, weil es keine klaren zeitlichen Beschränkungen für das Erinnerungsvermögen gebe. Teilleistungen seien nicht zu berücksichtigen, weil das Gutachten in Folge der festgestellten Befangenheit insgesamt u...