Entscheidungsstichwort (Thema)
Führungsaufsicht. Anforderungen an die Erteilung einer Abstinenzweisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB
Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich ist eine Abstinenzweisung nach § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB zulässig, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, der Alkohol- bzw. Rauschmittelkonsum könne zur Gefahr weiterer Straftaten beitragen. Maßgeblich ist nicht das Rückfallrisiko an sich, sondern die Wahrscheinlichkeit eines "Beitrags" zu strafbaren Handlungen. Mit einer entsprechenden Abstinenzweisung dürfen jedoch nach § 68b Abs. 3 StGB keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten gestellt werden.
2. Allein der Umstand, dass es sich bei einem Probanden um einen langjährigen, nicht erfolgreich behandelten Suchtkranken handelt, macht eine Abstinenzweisung nicht von vornherein unzulässig. Entscheidend sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls. Insbesondere kommt es für die Zulässigkeit einer solchen Weisung darauf an, ob die begründete Aussicht besteht, der mit der Weisung verfolgte Zweck - die Wahrscheinlichkeit des Beitrags zu strafbaren Handlungen zu verringern - könne erreicht werden.
Normenkette
StPO §§ 454, 463; StGB §§ 68b, 68f
Verfahrensgang
LG Hagen (Aktenzeichen 61 StVK 662/18) |
Tenor
- Die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über den Eintritt von Führungsaufsicht nach Vollverbüßung wird auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
- Auf die (einfache) Beschwerde wird der angefochtene Beschluss hinsichtlich der unter Ziffer 3. d) des Tenors erteilten Abstinenzweisung aufgehoben. Die weitergehende (einfache) Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
- Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung- auch über die Kosten des Rechtsmittels - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts Herford vom 13. Februar 2001 (3 Ls 82/00) wurde gegen den Verurteilten unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Hannover vom 12. August 1999 (216 Ds 144 Js 32957/99), des Amtsgerichts Ahaus vom 22. Oktober 1999 (3 Ls 49 Js 703/99), des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 28. Oktober 1999 (347 A Ds 160/99) und - unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe - des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 04. Juli 2000 (4 Ds 74 Js 1731/99 (222/00)) wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in zwei Fällen sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Mit Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 10. Oktober 2003 wurde die dem Verurteilten bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung sodann widerrufen, nachdem er mit Urteil des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 06. Dezember 2002 (4 Ds 51 Js 286/02 (493/02)) wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünfzehn Fällen, Einfuhr von Betäubungsmitteln, Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei Fällen, versuchten Betruges sowie Diebstahls zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden war.
Im Anschluss an eine erste Zurückstellung der hiesigen Strafvollstreckung nach § 35 BtMG (Fachklinik F) und deren Widerruf - beides im Jahre 2004 - erfolgte im Januar 2005 eine erneute, zweite Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG (G); die letztgenannte Maßnahme absolvierte der Verurteilte (zunächst) erfolgreich.
Mit Beschluss vom 23. Februar 2006 setzte das Amtsgericht Herford sodann die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 13. Februar 2001 zur Bewährung aus und legte die Bewährungszeit auf vier Jahre fest. Mit weiterem Beschluss vom 04. Dezember 2008 verlängerte das Amtsgericht Herford die Bewährungszeit um ein weiteres Jahr auf insgesamt fünf Jahre, nachdem der Verurteilte mit Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 03. März 2007 (285 a Ds 3031 PLs 11432/06 - 212/06) wegen Diebstahls zu einer weiteren Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden war.
Mit Beschluss vom 07. September 2012 widerrief die Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Bielefeld die dem Verurteilten mit Beschluss des Amtsgerichts Herford vom 23. Februar 2006 bewilligte Reststrafenaussetzung wegen erneuter Straffälligkeit innerhalb der Bewährungszeit. Das Amtsgerichts Bad Oeynhausen hatte gegen den Verurteilten am 13. Januar 2012 (5 Ds 541/11) wegen Diebstahls in neun Fällen, Hausfriedensbruchs in zwei Fällen, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen, fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs sowie versuchten Computerbetruges eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt.
Im Jahre 2013 erfolgte eine weitere (dritte) Zurückstellung der Vollstreckung der widerrufenen Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Herford vom 13. Februar 2001 gemäß § 35 BtMG (Einrichtung S in I). Da der Verurteilte erneut rückfällig wurde - er konsumierte Heroin in der Einrichtung - erfo...