Leitsatz (amtlich)

Ist bei einer beabsichtigten Rechtsverfolgung mit einem Gesamtstreitwert oberhalb der Rechtsmittelgrenze Prozess-/Verfahrenskostenhilfe nur für einen Anspruchsteil, der als solcher unterhalb der Rechtsmittelgrenze liegt, mangels Erfolgsaussicht versagt worden, so ist die sofortige Beschwerde zulässig.

 

Normenkette

ZPO § 127 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Lüdenscheid (Beschluss vom 12.02.2015; Aktenzeichen 5 F 1420/14)

AG Lüdenscheid (Beschluss vom 11.02.2015; Aktenzeichen 5 F 1420/14)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Lüdenscheid vom 11./12.2.2015 teilweise abgeändert.

Der Antragstellerin wird für ihre gesamte beabsichtigte Rechtsverfolgung ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H aus M bewilligt.

 

Tatbestand

Die Antragsteller begehrt Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Zahlung von 651,05 EUR als Nachteilsausgleich nach Zustimmung zur steuerlichen Zusammenveranlagung nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten. Das AG hat Verfahrenskostenhilfe nur für einen Teilbetrag von 406,76 EUR nebst anteiliger Zinsen und Kosten bewilligt. Für den darüber hinausgehenden Betrag, bei dem es sich im Wesentlichen um Steuerberaterkosten handelt, hat es keine Anspruchsgrundlage gesehen.

Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

I. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Ihrer Zulässigkeit steht insbesondere nicht die Vorschrift des § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO entgegen, wonach die sofortige Beschwerde bei Verneinung von Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht stattfindet, wenn der Streitwert in der Hauptsache die Rechtsmittelgrenze nicht erreicht.

Zwar beläuft sich der Betrag, hinsichtlich dessen das AG die Erfolgsaussicht verneint hat, auf weniger als 600 EUR. Wäre die entsprechende Forderungsposition in der Hauptsache aberkannt worden, wäre dagegen deshalb kein Rechtsmittel gegeben gewesen. Zweck des § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO ist es, den Rechtsmittelzug im VKH-Verfahren nicht weiter gehen zu lassen als er in der Hauptsache gegeben wäre (vgl. u.a. Senat, Beschl. v. 19.12.2014 - 14 WF 224/14).

Nach dem Wortlaut des § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO ist aber nicht auf die durch die VKH-Ablehnung bedingte Beschwer, sondern eben auf den Streitwert der Hauptsache abzustellen. Wie der vorliegende Fall zeigt, können diese beiden Werte voneinander abweichen, wenn nämlich die Verfahrenskostenhilfe nur für einen Teil des geltend zu machenden Anspruchs verneint wird. Der Gesamtstreitwert der Hauptsache liegt hier mit 651,05 EUR oberhalb der Rechtsmittelgrenze.

Dieser eindeutige Wortlaut ist auch zu beachten (vgl. Musielak/Fischer, ZPO, 11. Aufl. 2014, Rz. 19 zu § 127). Denn er steht bei näherer Betrachtung nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass der Rechtszug im VKH-Verfahren nicht weiter gehen soll als in der Hauptsache. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch der Anspruchsteil, bezüglich dessen das AG Verfahrenskostenhilfe versagt hat, in der Hauptsache in die Rechtsmittelinstanz gelangen kann. Würde nämlich die Antragstellerin diesen Anspruchsteil trotz Versagung von VKH auf eigene Kosten weiterverfolgen, und würde das AG dann in seiner Hauptsacheentscheidung die Antragsforderung in voller Höhe abweisen - was ja trotz teilweise bejahter Erfolgsaussicht ohne weiteres möglich ist -, so würde die Beschwer dieses Beschlusses dann die Rechtsmittelgrenze überschreiten.

II. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Dass auch Steuerberaterkosten im Grundsatz Gegenstand des Nachteilsausgleichs sein können, ist höchstrichterlich anerkannt (vgl. BGH FamRZ 1988, 820; ebenso Gerhardt/Kuckenburg/Perleberg-Kölbel, Familienrecht, 13. Kap. Rz. 334). Die Entscheidung bezieht sich zwar nicht auf eine Zustimmung zur Zusammenveranlagung, sondern auf eine Zustimmung zum sog. Realsplitting; da jedoch in beiden Fällen ein Nachteilsausgleich geschuldet ist, kommt eine Übertragbarkeit zumindest in Betracht. Ferner wäre noch zu prüfen, ob die Umstände des Einzelfalles die Hinzuziehung eines Steuerberaters gerade hier als angemessen erscheinen lassen. Letzteres kann aber schon aufgrund des Umstandes, dass es um einen sechs Jahre zurückliegenden Besteuerungszeitraum ging, zumindest nicht ausgeschlossen werden. Die endgültige Entscheidung hierüber darf nicht bereits im Rahmen der lediglich summarischen Prüfung im VKH-Verfahren vorweggenommen werden.

Gleiches gilt für die geringfügige Differenz, die nach Hinzurechnung der Steuerberaterkosten von 205,28 EUR zu dem bewilligten Anspruchsteil von 406,76 EUR zu den geltend gemachten 651,05 EUR immer noch verbleibt. Diese Differenz beruht auf der Frage, wie der eigentliche steuerliche Nachteil im einzelnen korrekt zu berechnet ist. Auch sie ist nicht im VKH-Verfahren vorwegzunehmen.

Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung ratenfreier Verfahrenskostenhilfe liegen auch bezüglich der erweiterten Bewilligung vor.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Haufe-Index 795489...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?