Leitsatz (amtlich)
Es gehört zu den Aufgaben einer Justizvollzugsanstalt, den Drogenmißbrauch möglichst einzuschränken. Hierfür sind Urinkontrollen unerläßlich, deren Anordnung gemäß § 56 Abs. 2 StVollzG zulässig ist, wenn damit auch Belange der Gesundheitsfürsorge verfolgt werden.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 30.12.2006) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Betroffenen auferlegt.
Gründe
I.
Der Betroffene verbüßt gegenwärtig eine mehrjährige Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I. Im Rahmen der Fortschreibung des Vollzugsplanes forderte die Vollzugsbehörde den Betroffenen zur Abgabe einer Urinprobe für ein Drogenscreening auf. Um Manipulationsmöglichkeiten auszuschließen, sollte sich der Betroffene dazu vollständig entkleiden. Der Betroffene leistete dieser Weisung nicht Folge. Er empfand es bereits als Willkür, dass er sich überhaupt dieser Maßnahme unterziehen sollte, weil er zuvor weder strafrechtlich noch während des Vollzugs Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln gezeigt hatte. Letztlich weigerte er sich aber, dieser Aufforderung Folge zu leisten, als ihm eröffnet wurde, dass er sich bei der Abgabe des Urins zum Ausschluss von Manipulationsmöglichkeiten vollständig entkleiden sollte. Unter solchen "menschenunwürdigen Umständen" sei er dazu nicht bereit. Es sei für ihn nicht tragbar, dass ihm jemand dabei zusehe, wie er in nacktem Zustand in einen Becher uriniere.
Wegen dieser Verweigerungshaltung des Betroffenen schränkte der Leiter der Vollzugsanstalt das Recht des Betroffenen auf gemeinsame Unterbringung während der Freizeit (§ 17 Abs. 2 StVollzG) ein und verhängte gegen ihn gemäß § 17 Abs.3 StVollzG die Vollzugsmaßnahme "Umschluß auf Antrag", weil angesichts des verweigerten Drogenscreenings nicht erkennbar sei, ob der Betroffene drogenabstinent lebe. Den Nachweis der Drogenfreiheit habe der Betroffene durch sein Verhalten selbst vereitelt, so dass ein hinreichender Anhaltspunkt dafür bestehe, dass er in der Anstalt zu dem Personenkreis gehöre, der mit Drogen in Berührung komme. Die Maßnahme sei erforderlich, um einer negativen Beeinflussung drogenabhängiger Inhaftierter untereinander und einer Verbreitung von Drogen entgegenzuwirken. Die Möglichkeit, am Umschluß teilzunehmen, werde dem Betroffenen aber auf seinen Antrag und nach entsprechender Prüfung, mit wem er seine Freizeit verbringen wolle, auch weiterhin gewährt.
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Widerspruch des Betroffenen wurde vom Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes zurückgewiesen. Sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte jedoch Erfolg. Die Strafvollstreckungskammer hob die beanstandete Vollzugsmaßnahme auf. Sie ist der Auffassung, es könne letztlich offen bleiben, ob die Pflicht aller Gefangenen zur Urinabgabe grundsätzlich einer rechtlichen Überprüfung Stand halte, denn jedenfalls gehe die in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I praktizierte Art und Weise der Abgabe einer Urinprobe im Fall des Betroffenen über das Zumutbare hinaus. Die Abgabe von Urin unter Beobachtung stelle schon in bekleidetem Zustand für viele ein Problem dar. Zwar müsse angesichts der zahlreichen Manipulationsmöglichkeiten die "Reinheit" der Urinprobe gewährleistet sein, jedoch erhalte der gesamte Vorgang durch die "zusätzliche Komponente der Nacktheit" für die Gefangenen einen erniedrigenden und demütigenden Charakter, der einer konkreten Betrachtung im Einzelfall bedürfe. Da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass der Betroffene im Verdacht stehe, Drogen zu konsumieren, stelle die Aufforderung, sich völlig zu entkleiden, um dann nackt und unter den Augen eines Bediensteten zu urinieren, einen Eingriff dar, der nicht mehr verhältnismäßig sei. Weil der Betroffene deshalb die Urinabgabe am 10. Oktober 2006 zu Recht verweigert habe, hätte die Justizvollzugsanstalt dieses Verhalten nicht zum Anlass nehmen dürfen, das Recht des Betroffenen auf unbeschränkten Umschluß einzugrenzen.
Gegen diese Entscheidung der Strafvollstreckungskammer richtet sich die Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt. Er ist der Auffassung, die Vollzugsbehörde sei gemäß § 56 Abs. 1 StVollzG verpflichtet, für die körperliche und geistige Gesundheit der Gefangenen zu sorgen. Die Anordnung einer Urinprobe stelle deshalb eine der Vorbereitung einer medizinischen Behandlung dienende notwendige Maßnahme des Gesundheitsschutzes dar. Auch sei die Drogenabstinenz des Betroffenen ein wesentliches Beurteilungskriterium bei der Fortschreibung des Vollzugsplanes. Der Betroffene sei schließlich verpflichtet, diese Maßnahme der Gesundheitsfürsorge gemäß § 56 Abs. 2 StVollzG auch dann zu unterstützen, wenn gegen ihn kein konkreter Verdacht auf einen verbotswidrigen Konsum von Betäubungsmitteln vorliege. Die Anordnung einer Urinabgabe im u...