Entscheidungsstichwort (Thema)
Urinprobe. Entzug von Lockerungen
Leitsatz (amtlich)
Weigert sich ein nach § 64 StGB Untergebrachter, eine Urinprobe nach den Regeln der Anstalt, die eine Manipulation weitgehend ausschließen, abzugeben, so kann dies den Entzug von Lockerungen bzw. die Androhung solcher Maßnahmen rechtfertigen.
Normenkette
MRVG NW § 17; MRVG § 18; StVollzG § 56; StGB § 64
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 101 StVK 974/12) |
Tenor
1.
Die Rechtsbeschwerde wird insoweit zugelassen, als sich der Betroffene gegen die Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung bezüglich der Androhung des Entzugs von Lockerungen wendet.
Im Umfang der Zulassung wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
Im Übrigen wird sie als unzulässig verworfen.
2.
Die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Prozesskostenhilfegesuchs wird verworfen.
3.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
4.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last.
Gründe
I.
Nach den Feststellungen der Strafvollstreckungskammer liegt der angefochtenen Entscheidung folgender Sachverhalt zu Grunde:
"Das Landgericht Arnsberg verurteilte den Antragsteller am 04.03.2009 wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und ordnete seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, da er die Tat im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen hatte. Der Antragsteller hat den Hang, alkoholische Getränke und gelegentlich Medikamente im Übermaß zu sich zu nehmen. Seit dem 22.04.2009 befindet sich der Betroffene in der Unterbringung. Seit August 2011 erhält er dort Lockerungen in Form von täglichen Ausgängen. Die Höchstfrist der Maßregel ist auf den 05.12.2013 notiert. Der anschließend noch zu verbüßende Strafrest beträgt 507 Tage.
Am 06.01.2012 trat in der LWL-Maßregelvollzugsklinik T eine neue "Dienstanweisung zur Durchführung von Drogenscreening" in Kraft, die seit dem 09.01.2012 umgesetzt wird.
Diese sieht vor, dass der Untergebrachte sich vor Abgabe der Urinprobe für das Screening teilweise entkleidet. Die Hose ist bis zu den Knien herunterzulassen und das T-Shirt ist bis zur Brust hochzuziehen. Die Abgabe der Probe soll unter Aufsicht zweier Mitarbeiter erfolgen, die dem gleichen Geschlecht angehören wie der Untergebrachte. Zumindest ein Mitarbeiter muss anwesend sein. Dieser muss den Patienten auch auf Mittel zur Manipulation, z.B. Beutel mit Fremdurin, Kunstpenisse oder Schläuche, untersuchen. Sofern ein Patient unter direkter Sichtkontrolle keinen Urin abgeben kann, muss er sich vollständig entkleiden und darf nach abgeschlossener Kontrolle ein abgeteiltes WC zur Urinabgabe nutzen.
In einem Gespräch am 17.01.2012 wurde dem Antragsteller seitens der Maßregelvollzugsklinik angekündigt, dass ihm Lockerungsstufen entzogen würden, wenn er den Anforderungen gemäß der Dienstanweisung vom
06.01.2012 nicht nachkomme.
Gegen die Dienstanweisung und die Ankündigung legte der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23.01.2012 Widerspruch ein, da er sich durch die Aufforderung, unter Aufsicht zweier Mitarbeiter die Urinprobe abzugeben, in seiner Menschenwürde beeinträchtigt sieht.
Am 05.03.2012 wurde dem Antragsgegner die Lockerung "Tagesausgang" bis zum 19.03.2012 entzogen, weil er sich weigerte, nach den Vorgaben der Dienstanweisung vom 06.01.2012 Urin abzugeben.
Hiergegen wandte er sich mit Schreiben vom 21.03.2012 an den LWL. Der Antragsteller ist der Ansicht, dass § 7 Maßregelvollzugsgesetz keine ausreichende Rechtsgrundlage sei, um routinemäßige Drogenscreenings anzuordnen. Seit April 2009 sei er weder rückfällig geworden noch sei er sonst in der Einrichtung negativ aufgefallen. Er sei jederzeit bereit, nach dem alten Verfahren Urin abzugeben oder Blut, Speichel oder Haare abzugeben.
Da sein Widerspruch noch nicht beschieden war, wandte der Antragsteller sich mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23.03.2012 an die 10. Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Bielefeld. Diese gab die Sache zuständigkeitshalber an die 16. Strafvollstreckungskammer ab.
Mit Schreiben vom 04.04.2012 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers klar, dass er sich nicht nur gegen die Versagung der Lockerungen wende, sondern auch gegen das neue Verfahren zur Abgabe der Urinproben insgesamt. Bisher sei es als ausreichend erachtet worden, dass ein einzelner Mitarbeiter den Untergebrachten in einem gesonderten Raum bei Abgabe der Urinprobe beaufsichtigt.
Mit Bescheid vom 16. April 2012 wies der Landesbeauftrage für den Maßregelvollzug Nordrhein-Westfalen den Widerspruch des Antragstellers vom 23.01.2012 zurück. Hierzu führte er aus, nach § 17 Abs. 1 S. 3 Maßregelvollzugsgesetz sei die Klinik berechtigt, die Abgabe von Urinproben zu verlangen. Auch beim Antragsteller seien Drogenscreenings auf illegale Betäubungsmittel erforderlich, da nicht auszuschließen sei, dass er in der Unterbri...