Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßregelvollzug: Lockerungen. Versagung einer Ausführung. Anforderungen an die Begründung von Fluchtgefahr oder Missbrauchsgefahr.
Leitsatz (amtlich)
Bei Ausführungen nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 MRVG NW handelt es sich um begleitete Ausgänge, wobei die Aufsicht (wenigstens) einer begleitenden Person gerade den Sinn hat, Flucht- und Missbrauchsgefahren entgegenzuwirken. Zur Ablehnung solcher Ausführungen bedarf es daher näherer Begründung, warum trotz der hiermit einhergehenden Sicherheitsvorkehrungen ein Missbrauch konkret zu befürchten ist bzw. die Gefahr einer Entweichung des Betroffenen aus dem Maßregelvollzug anzunehmen ist. Der Hinweis auf allgemeine Gründe wie einen fehlenden therapeutischen Kontakt mit dem Betroffenen genügt zumal unter Berücksichtigung der Möglichkeit nicht, dem Betroffenen zusätzlich nach § 18 Abs. 3 MRVG NW eine Fesselung aufzuerlegen.
Normenkette
MRVG NRW § 18 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 13 StVK 12/18) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Gegenstandswertes aufgehoben.
Der Bescheid der ärztlichen Leitung des LWL-Zentrums für Forensische Psychiatrie M vom 01.03.2018 wird aufgehoben. Die Maßregelvollzugsbehörde wird angewiesen, den Betroffenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Der Betroffene ist durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 16.03.1999 wegen Vergewaltigung in vier Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, davon in einem Fall in Tateinheit mit Geiselnahme sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, sowie wegen sexueller Nötigung in 15 Fällen, wobei es in fünf Fällen beim Versuch blieb, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Geiselnahme, in sechs Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in fünf Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt worden. Außerdem wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Der Betroffene hatte in der Zeit von September 1995 bis Mai 1998 eine Vielzahl von Frauen - zumeist in deren Wohnungen - überfallen, sexuell-sadistisch gequält und zum Teil vergewaltigt.
Die angeordnete Maßregel wird seit dem 26.09.1999 vollstreckt.
Dem Betroffenen wurden Lockerungen bislang nicht gewährt. Die Maßregelvollzugsbehörde hatte die Gewährung von begleiteten Lockerungen mit Bescheid vom 04.07.2017 abgelehnt; die Strafvollstreckungskammer hatte den Bescheid zunächst aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, den Betroffenen neu zu bescheiden. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.03.2018 lehnte die ärztliche Leitung der Klinik die Einsetzung von begleiteten Lockerungen erneut ab. Zur Begründung führte sie aus, es sei dem Betroffenen trotz langjähriger Unterbringung bestenfalls ansatzweise möglich, sich im Rahmen der Psychotherapie mit den Lebens- und Persönlichkeitsfaktoren auseinanderzusetzen, die zur Begehung der festgestellten Sexualstraftaten geführt hätten. Er habe sich zwar nach Therapiemöglichkeiten immer wieder erkundigt, entsprechende Angebote aber letztlich nie angenommen. Bei dem Betroffenen bestünden eine Perspektivlosigkeit und ein enormer Widerstand gegen die Unterbringung im Maßregelvollzug. Das äußere sich sowohl im Stationsalltag als auch in der Psychotherapie. Der Betroffene habe sich in den letzten Jahren praktisch vollständig zurückgezogen und nehme auch nicht mehr an arbeitstherapeutischen Maßnahmen teil. Er könne deshalb nicht eingeschätzt werden. Psychotherapiegespräche habe er nur im Ausnahmefall wahrgenommen, zudem sei es dann thematisch nur um Alltagsfragen oder die Möglichkeit von Lockerungen gegangen. Hinweise auf die noch unzureichende Deliktsaufarbeitung und Persönlichkeitsveränderung habe er nicht zum Anlass genommen, psychotherapeutische Angebote anzunehmen, er sehe sich vielmehr als Opfer einer übermächtigen Klinik. Bei dem Betroffenen sei von einer nicht ausreichend behandelten schweren Persönlichkeitsstörung im Sinne einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicheren, dissozialen, depressiven und narzisstischen Anteilen, einem sexuellen Sadismus und einem Voyeurismus auszugehen. Die Anlasstaten habe er trotz relativ guter Einbindung in ein stabiles soziales Beziehungssystem begangen, so dass das relativ unauffällige Verhalten des Betroffenen im Vollzug kein Hinweis auf eine reduzierte Gefährlichkeit sei. Etwaige sexuell-sadistische Vorstellungen könne der Betroffene nur außerhalb der Klinik umsetzen, so dass ein hohes, praktisch nicht kalkulierbares Fluchtrisiko bestehe.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, dem eine Kopie des vorgenannten Bescheides vom 01.03.2018 als Anlage beigefügt war, beantragte der Betroffene, die Maßregelvollzugsbehörde zu verpflichten, über die Einsetzung von "Schwellenlockerungen" unter Berücksi...