Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassungsgrund des Fehlens hinreichender Feststellungen. Lockerungen. Ausführung
Leitsatz (amtlich)
1. § 18 MRVG gibt der Vollzugsbehörde lediglich ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl geeigneter Lockerungen.
2. Auch ein geringes Entweichensrisiko im Falle der Gewährung von Lockerungen kann zur Verweigerung der Lockerungsgewährung führen, wenn im Falle der Realisierung dieses Risikos höchste Rechtsgüter gefährdet sind. Um diese Gefährdung bewerten und in eine Abwägung mit dem Freiheits- und resozialisierungsinteresse des betroffenen einstellen zu können, ist es erforderlich, den Grad der Gefahr eines Rückfalls im Entweichensfalle nachvollziehbar zu bewerten.
Normenkette
StVollzG § 116; MRVG NW § 18
Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 13 StVK 23/13) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Paderborn zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird bis zum 28.02.2014 zurückgestellt. Bis dahin hat der Betroffene die in § 115 Abs. 2 ZPO geforderte Erklärung nebst Belegen dem Senat vorzulegen.
Gründe
I.
Der Betroffene ist - abgesehen von zwischenzeitlichen Zeiten der Strafhaft - seit 1990 wegen Mordes, sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern sowie wegen Totschlags und versuchten Totschlags im Maßregelvollzug nach § 63 StGB untergebracht. Seinen Antrag auf Bewilligung begleiteter Lockerungen 1:1 hat die Vollzugsbehörde mit Bescheid vom 11.07.2013 zurückgewiesen. Zwar sei das Vollzugsverhalten des Betroffenen vorbildlich und sein Entweichensrisiko gering. Jedoch bestünde die Gefahr, dass er im Entweichensfalle "sehr schnell" in eine soziale Außenseiterposition mit sozialer Isolierung gerate, womit auch verbunden sei, dass sich seine Wünsche auf partnerschaftliche Sexualkontakte kaum erfüllen würden. Er würde dann "sehr schnell" in Kränkungs- und Konfliktsituationen geraten, bei denen ein hohes deliktsanaloges Rückfallrisiko bestünde.
Den dagegen gerichteten Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer zurückgewiesen. Sie meint, gemessen an § 18 MRVGNW sei die Ablehnung der Maßnahme nicht ermessensfehlerhaft. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er der Sache nach die Verletzung materiellen Rechts rügt und dazu eigene Ausführungen macht. Der Landesbeauftragte für den Maßregelvollzug ist der Auffassung, dass die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen sei.
II.
Die Rechtsbeschwerde war schon zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 116 Abs. 1 StVollzG) zuzulassen. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 31.07.2012 (III - 1 Vollz(Ws) 278/12) darauf hingewiesen, dass in den Fällen, in denen einer Ausführung Sicherheitsbedenken entgegenstehen, unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu prüfen ist, ob diesen durch entsprechende Auflagen nach § 18 Abs. 3 MRVGNW (z.B. durch eine Fesselung) Rechnung getragen werden kann. Diese Prüfung ist unter Zugrundelegung der Feststellungen im angefochtenen Beschluss hier nicht erfolgt und vom Landgericht nicht beanstandet worden. Eine Verfestigung einer solchen geringen Prüfungsdichte würde zu einer ständigen Abweichung von der Senatsrechtsprechung führen, der es vorzubeugen gilt.
Des Weiteren liegt auch der ungeschriebene Zulassungsgrund nicht hinreichender tatsächlicher Feststellungen vor (vgl. dazu Arloth, StVollzG, 3. Aufl., § 116 Rdn. 4). Die oben erwähnten zeitlichen Perspektiven hinsichtlich des Rückfalls, die mit "sehr schnell" beschrieben werden, sind - angesichts des doch mehrstufigen, von der Maßregeleinrichtung für einen Rückfall erforderlich erachteten Geschehensablaufes - so unspezifisch, dass der Senat letztlich nicht hinreichend überprüfen kann, ob die Strafvollstreckungskammer noch von zutreffenden Voraussetzungen für die Gewährung von Lockerungen ausgegangen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss war aufzuheben und die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurückzuweisen (§ 119 Abs. 4 StVollzG), da er Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen aufweist.
Nach § 18 MRVGNW richtet sich (u.a.) der Umfang des Freiheitsentzuges nach dem Erfolg der Therapie und ist ggf. entsprechend anzupassen, wobei Gefährdungen, die von dem Untergebrachten ausgehen können, zu berücksichtigen sind. Vollzugslockerungen dienen grundsätzlich der Erreichung des Behandlungszwecks. Lockerungen können mit Auflagen und Weisungen verbunden werden (§ 18 Abs. 3 MRVGNW).
Auf der Grundlage der Feststellungen im angefochtenen Beschluss ist nicht zu erkennen, dass diese Voraussetzungen hinreichend geprüft worden...