Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde gegen Verbleibensanordnung
Normenkette
BGB § 1532 Abs. 4; FamFG § 59 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Münster (Aktenzeichen 56 F 46/11) |
Tenor
I. Die Beschwerden des Vormunds und des Jugendamts werden als unbe-gründet zurückgewiesen.
II. Die Beschwerde der Kindesmutter wird als unzulässig zurückgewiesen.
III. Von der Erhebung gerichtlicher Kosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
IV. Der Wert der Beschwerde wird auf 1.500 EUR festgesetzt (§§ 45, 41 FamFG)
Gründe
Die gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Münster vom 16.3.2011 (Bl. 102 d.A.) eingelegten Beschwerden der Beschwerdeführer sind zurückzuweisen.
I.) Die Beschwerden des Vormunds vom 24.3.2011 (Bl. 104 GA) und des Jugendamts vom 24.3.2011 (Bl. 114 GA) sind zulässig, aber unbegründet.
1.) Im Rahmen der durch den angefochtenen Beschluss erfolgten Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB sind zwar der Vormund und das Jugendamt beschwerdeberechtigt.
Die Beschwerdeberechtigung des Vormunds ergibt sich daraus, dass ihm die elterliche Sorge im Zusammenhang mit dem erfolgten Entzug der elterlichen Sorge nach §§ 1666, 1666a BGB durch Beschluss des AG - Familiengericht - Hamburg-Barmbek vom 16.4.2009 übertragen worden ist. Antragsberechtigt ist hinsichtlich des Herausgabeverlangens nämlich der Personensorgeberechtigte. Dies ist im Fall des Entzugs der elterlichen Sorge der Vormund (Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, 70. Aufl., § 1632 BGB Rz. 3; Prütting/Wegen/Weinreich, Bürgerliches Gesetzbuch, 5. Aufl., § 1632 BGB Rz. 9).
Die Beschwerdeberechtigung des Jugendamts ergibt sich aus § 162 Abs. 3 S. 2 FamFG auf Grund des Vorliegens einer Kindschaftssache.
2.) Die Beschwerden des Vormunds und des Jugendamts sind jedoch unbegründet, da das AG zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB bis zur Entscheidung in der Hauptsache getroffen hat.
a.) Die Kinder befinden sich in einer Familienpflege i.S.d. § 1632 Abs. 4 BGB. Hierfür genügt nämlich das Vorliegen eines faktischen Pflegeverhältnisses familienähnlicher Art, gleichgültig ob ein Pflegevertrag oder eine etwa erforderliche Pflegeerlaubnis vorliegen (BGH in NJW 2001, 3337 ff.).
b.) Das AG hat hierbei insbesondere zutreffend erkannt, dass das entscheidende Kriterium für die Frage des Erlasses einer Verbleibensanordnung ist, ob durch eine Herausnahme der Kinder aus der Pflegestelle ihr Wohl gefährdet wäre. Eine Herausnahme kommt hiernach nur in Betracht, wenn eine Kindeswohlgefährdung durch die Herausnahme ausgeschlossen ist (zum Ganzen jeweils mit weiteren Nachweisen: Staudinger/Salgo, Bürgerliches Gesetzbuch, Bearbeitung 2007, § 1632 BGB Rz. 74; Prütting/Wegen/Weinreich, 5. Aufl., § 1632 BGB Rz. 9; Palandt/Diederichsen, 70. Aufl., § 1632 BGB Rz. 13 ff.). Maßgeblich ist hierbei, dass die Risikogrenze hinsichtlich der Prognose möglicher Beeinträchtigungen der Kinder dann überschritten ist, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen ist, dass die Trennung der Kinder von den Pflegeeltern psychische oder physische Schäden nach sich ziehen kann (BVerfG, Beschluss vom 31.3.2010, 1 BvR 2910/09, abgedruckt in FamRZ 2010, 865 ff.). Ist dagegen nur der Wechsel zu anderen Pflegeeltern - wie hier - beabsichtigt, muss mit hinreichender Sicherheit auszuschließen sein, dass die Trennung des Kindes von seinen Pflegeeltern mit psychischen oder physischen Schädigungen verbunden sein kann (BVerfG, Beschluss vom 14.4.1987, 1 BvR 332/86, abgedruckt in NJW 1988, 125 ff.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das AG zu Recht auf Grund des vorliegenden Sachverhalts davon ausgegangen, dass im summarischen Verfahren ohne Vorlage eines familienpsychologischen Gutachtens eine Gefährdung des Kindeswohls bei einer Trennung der Kinder von den Pflegeeltern nicht mit der hinreichenden Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Hierbei hat das AG nachvollziehbar auf die bisherigen Wechsel des Lebensmittelpunktes der Kinder sowie die Zeitdauer des Aufenthalts in der derzeitigen Pflegefamilie verwiesen. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden und eingehenden Ausführungen in den Beschlüssen des AG vom 25.2.2011 (Bl. 36 ff. GA) und der angefochtenen Entscheidung vom 16.3.2011 (Bl. 102 GA) verwiesen. Die Richtigkeit dieser Bewertung wird durch das Beschwerdevorbringen nicht erschüttert.
II.) Die Beschwerde der Kindesmutter stellt sich hingegen als unzulässig dar, da sie nicht nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt ist.
Auf Grund des erfolgten Entzugs der elterlichen Sorge ist die Kindesmutter nämlich durch die in dem vorliegenden Verfahren über eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB getroffene Entscheidung nicht unmittelbar in ihren Rechten beeinträchtigt. Hierbei bedarf es keiner Entscheidung, ob der Entzug der elterlichen Sorge grundsätzlich einer Beschwerdeberechtigung entgegensteht, da ein Eingriff in das Elternrecht nicht mehr möglich...