Leitsatz (amtlich)

Zur Begründung einer Beschwerdeberechtigung im Verfahren betreffend die elterliche Sorge für ein Kind reicht alleine ein nachvollziehbares Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung oder Beseitigung einer vom Familiengericht getroffenen Maßnahme nicht aus; erforderlich ist vielmehr, dass der Beschwerdeführer in einem ihm selbst durch Gesetz oder durch die Rechtsordnung anerkanntem und von der Staatsgewalt geschütztem materiellem Recht unmittelbar betroffen ist.

 

Normenkette

FamFG § 59 Abs. 1; BGB §§ 1632, 1666, 1685

 

Verfahrensgang

AG (Beschluss vom 06.03.2012; Aktenzeichen 24 F 29/11)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den am 6.3.2012 erlassenen Beschluss des AG - Familiengericht - X wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten für das Beschwerdeverfahren werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin ist die Großmutter des betroffenen Kindes D (geb. am...). Sie hat das Kind von seiner Geburt an bis zu seiner Herausnahme durch das Jugendamt im April 2011 zunächst gemeinsam mit der - seinerzeit noch minderjährigen - Mutter und später alleine in ihrem Haushalt versorgt und betreut. Seit dem 8.12.2011 lebt das betroffene Kind in einer Pflegefamilie.

Mit Beschluss vom 21.9.2009 im Verfahren 24 F 156/09 hat das AG - Familiengericht - X der Mutter des betroffenen Kindes die elterliche Sorge gem. § 1666 BGB entzogen und die Vormundschaft des Jugendamts angeordnet. Zugleich hat es im Rahmen der von ihm nach § 1666 BGB zu treffenden Maßnahmen angeordnet, dass der Lebensmittelpunkt des Kindes im Haushalt der Großmutter verbleiben sollte. Auf Anregung des Jugendamts wurde am 3.1.2012 ein Verfahren auf Entzug der elterlichen Sorge der im Haushalt der Großmutter lebenden weiteren Tochter (Schwester der Mutter des betroffenen Kindes) eingeleitet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht seine Entscheidung vom 21.9.2009 dahingehend abgeändert, dass die Anordnung, wonach der Lebensmittelpunkt des betroffenen Kindes im Haushalt der Großmutter verbleiben soll, entfällt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Großmutter des betroffenen Kindes.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Sie ist unzulässig, denn der Beschwerdeführerin steht kein Beschwerderecht gegen die angefochtene Entscheidung zu.

1. Beschwerdeberechtigt ist gem. § 59 I FamFG nur, wer in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Davon betroffen sind nur durch Gesetz verliehene oder durch die Rechtsordnung anerkannte, von der Staatsgewalt geschützte, dem Beschwerdeführer zustehende materielle Rechte. Die Rechte müssen ihm als eigene Rechte zustehen. Außerdem muss er in seinen subjektiven Rechten unmittelbar betroffen sein (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl., § 59 Rz. 3, 6, 9, 13 m.w.N.). Daraus folgt, dass durch eine Anordnung von Maßnahmen nach § 1666 I, III BGB nur mittelbar begünstigten Personen kein Beschwerderecht zusteht, auch wenn sie ein nachvollziehbares Interesse an der Änderung oder Beseitigung einer vom Familiengericht getroffenen Maßnahme haben. Das entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung des § 59 FamFG, nach welchem im Interesse der Rechtssicherheit des Kindes der Kreis der Beschwerdeberechtigten bei mit befristeten Rechtsmitteln anfechtbaren Entscheidungen überschaubar gehalten werden soll (vgl. BGH FamRZ 2011, 552 ff.).

2. Die zur Erlangung einer Beschwerdebefugnis erforderlichen Voraussetzungen sind in der Person der Beschwerdeführerin nicht erfüllt.

a) Die durch die Anordnung des Aufrechterhaltung des Lebensmittelpunktes des betroffenen Kindes in ihrem Haushalt begünstigte Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Beschluss in ihren Rechten nur mittelbar beeinträchtigt, weil ihr mit der abzuändernden Entscheidung vom 21.9.2009 kein eigenes Recht auf Ausübung der elterlichen Sorge eingeräumt worden ist. Die elterliche Sorge für das betroffene Kind ist seinerzeit vielmehr auf das zuständige Jugendamt als Vormund übertragen worden.

b) Eine unmittelbare Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin ergibt sich auch nicht aus dem durch Art. 6 II GG geschützten Elternrecht, denn die Großeltern sind grundsätzlich nicht Träger des Elternrechts. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sie anstelle der Eltern als Vormund für die Erziehung und Pflege des Kindes verantwortlich sind (vgl. BGH, a.a.O.). Eine Rechtsstellung als Vormund hat die Beschwerdeführerin jedoch zu keinem Zeitpunkt erlangt.

c) Ein unmittelbares Recht der Beschwerdeführerin ergibt sich auch nicht aus der von ihr in der Vergangenheit tatsächlich übernommenen Pflege des betroffenen Kindes. Zwar ist das Familienleben zwischen Kindern und ihren Großeltern, die deren Pflege übernommen haben, durch § 1632 IV BGB geschützt (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Köln FamRZ 2011, 233 f.). Die Anwendung des § 1632 IV BGB setzt jedoch voraus, dass zwischen der Beschwerdeführerin und dem betroffenen Kind ein Pflegeverhältnis besteht, denn die Verbleibensanordnung ist nach ihrem Sinn und Zweck...

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