Leitsatz (amtlich)
Die Regeln des Art. 40 Abs. 1 EGBGB sind im Falle eines Distanzdelikts als Sachnormverweisungen zu verstehen.
Zur Haftung des französischen Haftpflichtversicherers im sog. Brustimplantate-Skandal.
Normenkette
EGBGB Art. 4 Abs. 1, Art. 40 Abs. 1, 4
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 1 O 188/15) |
Tenor
weist der Senat nach Vorberatung darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gegen das am 12.12.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Essen durch einstimmigen Senatsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Klägerin unterzog sich am 04.04.2007 im Haus der Beklagten zu 1. einer Mammaaufbauplastik, bei der ihr silikongefüllte, von der französischen Firma Q (Q) produzierte und von der niederländischen Firma S vertriebene Brustimplantate eingesetzt wurden. Die Implantate wurden im März 2013 ausgetauscht. Die Klägerin behauptet, dass die am 04.04.2007 eingesetzten Implantate mit minderwertigem Industriesilikon gefüllt gewesen seien. Sie macht Ansprüche gegen die Beklagte zu 3., bei der es sich um eine französische Aktiengesellschaft handelt, als Haftpflichtversicherer der Q geltend.
Neben den Beklagten zu 1. und 3. hat die Klägerin auch die W GmbH als Beklagte zu 2. in Anspruch genommen. Sie hat erstinstanzlich beantragt, die drei Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes i.H.v. mindestens 45.000 EUR sowie weiterer 288 EUR (Fahrtkosten) zu verurteilen, ferner hat sie die Feststellung der gesamtschuldnerischen Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz weiterer materieller und immaterieller Schäden begehrt.
Zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht Essen hat das Verfahren gegen die Beklagte zu 2. abgetrennt und sodann die Klage gegen die Beklagten zu 1. und 3. mit dem angefochtenen, am 12.12.2016 verkündeten Urteil abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Die Berufung der Klägerin richtet sich allein gegen die Beklagte zu 3.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die zwischen der Beklagten zu 3. und der Q vereinbarte Beschränkung des Versicherungsschutzes auf Frankreich unwirksam sei. Zu diesem Ergebnis führe eine europarechtskonforme Auslegung der Versicherungsverträge. Die territoriale Beschränkung des Versicherungsschutzes stelle eine gemäß Art. 18 AEUV unzulässige indirekte Diskriminierung nicht-französischer Patienten dar. Zudem verstoße die Beschränkung gegen die unionsrechtliche Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit.
Die Klägerin beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagte zu 3. zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
2. festzustellen, dass die Beklagte zu 3. verpflichtet ist, ihr sämtliche weiteren, materiellen und - im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbaren - immateriellen Schäden zu ersetzen, welche ihr anlässlich der Implantation von Brustimplantaten aus dem Hause der Firma (Q) entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden;
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Essen zurückzuverweisen.
Die Beklagte zu 3. verteidigt das angefochtene Urteil.
II. Die deutschen Gerichte sind international zuständig.
Die internationale Zuständigkeit ist trotz § 513 Abs. 2 ZPO auch in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH NJW-RR 2015, 941 Rn. 14 m.w.N.). Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt vorliegend aus Art. 13 Abs. 2 EuGVVO i.V.m. Art. 11 Abs. 1 b) EuGVVO, da der Geschädigte nach materiellem französischen Recht, das hier anwendbar ist, einen Direktanspruch gegen den Versicherer geltend machen kann (vgl. EuGH NJW 2008, 819 zur EuGVVO a.F.; näher zum IPR und zum Direktanspruch unten). Die internationale Zuständigkeit folgt außerdem aus Art. 13 Abs. 2, Art. 12 EuGVVO und schließlich auch aus Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO, da sich die Beklagte zu 3. rügelos auf die Klage eingelassen hat.
III. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung stand. Es beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, der Klägerin günstigere Entscheidung. Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 3. zustehen.
Es bestehen keine vertraglichen Beziehungen der Klägerin zur Beklagten zu 3. oder ...