Entscheidungsstichwort (Thema)
Seit 5.8.2009 geltende Vorschrift des § 15a RVG auch auf Fälle anzuwenden, in denen die Geschäftsgebühr vor dem 5.8.2009 entstand
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 8 O 8/09) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Die auf Grund des Vergleichs des OLG Hamm 30.12.2009 (Aktenzeichen 17 U 137/09) von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden anderweitig auf 5.226,24 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.1.2010 festgesetzt.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen.
Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 422,07 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien haben den Rechtsstreit, in dem die Klägerin neben ihrer Hauptforderung auch die Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 1.286,20 EUR geltend gemacht hat, durch den am 30.12.2009 gem. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Vergleich beendet. In diesem Vergleich verpflichtete sich die Beklagte, an die Klägerin zur Abgeltung der Klageforderung 28.000 EUR zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs übernahmen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Die Rechtspflegerin hat die Kosten der Parteien unter Kürzung der jeweils angemeldeten 1,3 Verfahrensgebühr durch hälftige Anrechnung der unstreitig auf beiden Seiten vorprozessual angefallenen Geschäftsgebühr ausgeglichen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde unter Berufung auf die Regelung des § 15a RVG.
Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, weil die Vorschrift des § 15a RVG gem. § 60 RVG vorliegend nicht zur Anwendung komme und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Einverständnis der Parteien wurde das Beschwerdeverfahren durch Beschluss der Einzelrichterin vom 16.4.2010 bis zu einer abschließenden Klärung der Frage der Rückwirkung des § 15a RVG durch den BGH ausgesetzt.
Durch Beschluss vom 11.5.2010 hat die Einzelrichterin die Sache gem. § 568 Nr. 2 ZPO zur Entscheidung auf den Senat übertragen. Zuvor waren die Parteien darauf hingewiesen worden, dass der Senat in Hinblick auf die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung zur Rechtsfrage der Anwendbarkeit des § 15a RVG auf Altfälle sowie im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung im hiesigen Oberlandesgerichtsbezirk von seiner bisherigen Rechtsprechung abrücke und nunmehr § 15a RVG auch auf die vor dem 5.8.2009 erteilten Mandate anwende.
B. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gem. §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO zulässig und auch begründet.
Die im Ausgangsrechtsstreit in erster Instanz unstreitig nach Nr. 3100 RVG-VV auf Seiten der Klägerin angefallene 1,3 Verfahrensgebühr ist in voller Höhe ohne Anrechnung der Geschäftsgebühr der Nr. 2300 RVG-VV in Ansatz zu bringen.
I. Unter welchen Voraussetzungen die Geschäftsgebühr hälftig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, regelt die Vorschrift des § 15a RVG. Danach betrifft die Anrechnung das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten und wirkt sich grundsätzlich nicht im Verhältnis zu Dritten, insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, aus (BGH, Beschl. v. 2.9.2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101, 3102; Beschl. v. 9.12.2009 - XII ZB 175/07, FamRZ 2010, 456, 457). Bei der Kostenerstattung ist die Anrechnung nur dahingehend zu berücksichtigen, dass der kostenpflichtige Gegner nicht mehr zu erstatten hat, als die obsiegende Partei ihrem Prozessbevollmächtigtem aus dem Mandatsverhältnis schuldet (BGH, Beschl. v. 29.4.2010 - V ZB 38/10). Eine Anrechnung findet daher im Kostenfestsetzungsverfahren nur in den in § 15a Abs. 2 RVG gesetzlich geregelten Fällen statt.
Danach kann sich ein Dritter - hier die erstattungspflichtige Klägerin - auf die Anrechnung nur berufen, soweit sie den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen sie ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen sie geltend gemacht werden.
Keiner dieser Anrechnungsfälle ist hier gegeben. Die Beklagte hat die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr bislang nicht erstattet. Hinsichtlich dieser Gebühren besteht gegen sie auch kein Vollstreckungstitel.
Die pauschale Abgeltungsvereinbarung im Prozessvergleich der Parteien stellt keinen Vollstreckungstitel i.S.d. § 15a Abs. 2, Alt. 1 RVG dar. Die darin vereinbarte Teilleistung lässt nicht erkennen, auf welchen Teil der Klageforderung sie entfällt und in welchem Umfang ein Teilverzicht vorliegt. Eine Gleichsetzung der Abgeltungsklausel mit einer Titulierung würde zudem in vielen Fällen zu einer von den Parteien nicht gewollten Veränderung der Kostenregelung führen. Denn erfahrungsgemäß werden gerade bei höheren Vergleichsbeträgen Nebenforderungen bei der Bemessung des Vergleichsbetrages oftmals nicht berücksichtigt. Dass die in diesem Fall durch den Vergleich abgego...