Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungshauptverhandlung. fehlerhafte Ladung. Wiedereinsetzung. Ausfertigung. vollständige und wortgetreue Wiedergabe der Urschrift

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auswirkung von Ladungsfehlern auf die Frage der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung.

 

Normenkette

StPO § 329 Abs. 7, § 37

 

Verfahrensgang

LG Münster (Entscheidung vom 22.09.2016; Aktenzeichen 4 Ns 53/12)

 

Tenor

  1. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss der 4. Strafkammer des Landgerichts Münster vom 22.09.2016 aufgehoben. Dem Angeklagten wird - auf seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 05.10.2015 gewährt.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten darin erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse analog § 467 StPO.

  2. Das Urteil der 4. Strafkammer des Landgerichts Münster vom 05.10.2016 und die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten sind gegenstandslos.
 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Münster hatte den Angeklagten mit Urteil vom 16.07.2012 wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Hiergegen legte der Angeklagte Berufung ein. Im ersten Termin zur Berufungshauptverhandlung vom 13.02.2013 gab der Angeklagte als seine Anschrift "L-Straße, N" an. Die Berufungshauptverhandlung wurde ausgesetzt. Unter der genannten Anschrift konnte eine Ladung zum zweiten Hauptverhandlungstermin am 05.10.2015 nicht erfolgen. Auf dem Zustellformular wurde vermerkt, dass der Adressat unter dieser Anschrift nicht ermittelt werden konnte.

Daraufhin hat der Vorsitzende der Berufungsstrafkammer die öffentliche Ladung des Angeklagten mit Beschluss vom 17.08.2016 angeordnet. Der Beschluss hat folgenden Inhalt:

"In der Strafsache

gegen ####,

geboren am ##.##. 1968 in ##,

wohnhaft: L-Straße, N,

deutscher Staatsangehöriger

wird die öffentliche Zustellung der Ladung zum Hauptverhandlungstermin vom 05.10.2015 angeordnet,

weil

die Ladung zur Hauptverhandlung über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Münster vom 16.07.2012 nicht unter der Anschrift möglich ist, unter der letztmals zugestellt wurde und die der Angeklagte zuletzt angegeben hat (§ 40 Abs. 3 StPO). Es handelt sich um die im Rubrum genannte Anschrift. Die letzte Zustellung erfolgte dort am 11.10.2012 (Bl. 369 d. A.). Ferner hat der Angeklagte diese Anschrift im Hauptverhandlungstermin vom 13.02.2013 angegeben (vgl. Bl. 374R)."

Die zugehörige Verfügung hat folgenden Inhalt:

" Verfügung

II.

An der Gerichtstafel des

Landgerichts Münster

soll jeweils folgendes Schreiben (nicht der obige Beschluss) für 2 Wochen ausgehangen werden (Datum der Anheftung und der Abnahme sind zu beurkunden):

III.

Schreiben an Beschuldigten

- #### (Besch1)

wird Ihnen hiermit ein Schriftstück vom 07.08.2015 zugestellt. Das Schriftstück enthält eine Ladung zu einem Termin, dessen Versäumung Rechtsnachteile zur Folge haben wird.

Das Schriftstück kann im Gebäude des Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster eingesehen und abgeholt werden.

IV.

Anzufertigen für die Akte

Abschrift des Beschlusses zu Ziffer I.

V.

Zu übersenden ist/sind

Ausfertigung des Beschlusses zu Ziffer I.

≫≫ an Staatsanwaltschaft (im Verfahren)

- StA Münster .

VI.

Zum Termin"

Entgegen der Verfügung des Vorsitzenden wurde indes eine "Ausfertigung" eines Beschlusses nur mit folgendem Inhalt ausgehängt:

"In der Strafsache

gegen ####,

geboren am ##.##. 1968 in ##,

wohnhaft: L-Straße, N,

deutscher Staatsangehöriger

wegen Steuerhinterziehung

wird die öffentliche Zustellung der Ladung zum Hauptverhandlungstermin vom 05.10.2015 angeordnet,

weil

die Ladung zur Verhandlung über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Münster vom 16.07.2012 nicht unter der Anschrift möglich ist, unter der letztmals zugestellt wurde und die der Angeklagte zuletzt angegeben hat (§ 40 Abs. 3 StPO)."

Der weitere Beschlussinhalt wurde nicht wiedergegeben.

Zum Hauptverhandlungstermin vor dem Berufungsgericht ist der Angeklagte nicht erschienen. Daraufhin hat die Strafkammer seine Berufung gem. § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Die öffentliche Zustellung des Urteils wurde angeordnet, aber nicht ordnungsgemäß ausgeführt.

Am 12.04.2016 hat der Angeklagte Revision gegen das Verwerfungsurteil eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung beantragt.

Nach (erneuter) Zustellung des Verwerfungsurteils am 17.06.2016 hat der Angeklagte am 25.07.2016 seine Revision und sein Wiedereinsetzungsgesuch zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle begründet.

Die beantragte Wiedereinsetzung hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsmittel des Angeklagten zu verwerfen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Dem Angeklagten war Wiederein...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge