Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage, ob ein Handelsvertreter faktischer Einfirmenvertreter i.S.d. § 92a Abs. 1 Satz 1 HGB ist, ist im Rahmen der Prüfung der Rechtswegzuständigkeit anhand des Vorbringens beider Parteien zu beurteilen.
2. Der Verdienst eines Handelsvertreters bestimmt sich auch dann nach den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses, wenn dieses in dieser Zeit bereits gestört war und der Handelsvertreter seine Tätigkeit für den Unternehmer ganz oder teilweise eingestellt hat.
3. In diesem Zeitraum angefallene Provisionsstorni sind dabei in Abzug zu bringen (Abgrenzung zu BGH NJW-RR 2008 S. 1418 und 1420). Dies gilt auch dann, wenn sie vom Handelsvertreter selbst abgeschlossene und anschließend gekündigte Verträge betreffen.
4. Bei der Berücksichtigung von Provisionsstorni ist der Zeitpunkt der Entstehung des Rückforderungsanspruchs des Unternehmers maßgeblich und nicht der des Entstehens des Provisionsanspruches des Handelsvertreters.
Normenkette
HGB § 92a; ArbGG § 5 Abs. 3; GVG § 17a
Verfahrensgang
LG Münster (Beschluss vom 09.02.2009; Aktenzeichen 016 O 442/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 16. Zivilkammer des LG Münster vom 9.2.2009 - 16 O 442/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 6.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten um die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder der Arbeitsgerichtsbarkeit.
I. Die Klägerin befasst sich mit der Beratung über Versicherungen, Vermögensanlagen und Finanzierungen aller Art sowie deren Vermittlung.
Am 2.11.2005 schlossen die Parteien einen N Vertrag. Nach § 1 dieses Vertrages sollte die Beklagte als selbständige Gewerbetreibende i.S.v. §§ 84 ff. HGB tätig sein und die Kunden der Klägerin beraten und ihnen N-Dienstleistungen sowie Finanzprodukte vermitteln. Dabei durfte sie gem. § 2 dieses Vertrages hauptberuflich nur für die Klägerin tätig sein und nur deren Dienstleistungen und von ihr freigegebene Finanzprodukte vermitteln. Für diese Tätigkeit sollte die Beklagte gem. § 6 des Vertrages Provisionen und Honorare erhalten. Nach § 6 Ziff. 5 des Vertrages stellte die Klägerin dem Beklagten für längstens 30 Monate einen monatlichen pauschalen Vorschuss auf die zu verdienenden Provisionen in gestaffelter, mit zunehmender Vertragsdauer abnehmender Höhe von zunächst 2.000 EUR bis zum Ende 500 EUR zur Verfügung, um sie bei der Existenzgründung finanziell zu unterstützen. Die Rückführung dieser Vorschüsse sollte gem. § 6 Ziff. 6 des Vertrages durch Verrechnung mit den tatsächlich verdienten Provisionen erfolgen. Nach § 6 Ziff. 8 des Vertrages sollte die Beklagte im Falle ihres Ausscheidens verpflichtet sein, 50 % eines noch bestehenden Provisionsvorschusssaldos zurückzuzahlen, während ihr die weiteren 50 % erlassen waren. Als Gegenleistung für diesen Erlass verzichtete die Beklagte nach § 6 Ziff. 8 des Vertrages auf 50 % ihre nach ihrem Ausscheiden noch verdienten Provisionen.
Das Vertragsverhältnis der Parteien endete zum 15.3.2008 auf Grund einer Kündigung der Klägerin vom 13.12.2007.
In der Zeit von September 2007 bis einschließlich Februar 2008, also den letzten 6 Monaten ihrer Tätigkeit für die Klägerin, verdiente die Beklagte ohne Berücksichtigung der Provisionsvorschüsse, aber unter Abzug der jeweiligen in diesen Monaten anfallenden Provisionsstorni insgesamt Provisionen i.H.v. 2.253,58 EUR, ohne Berücksichtigung der in diesen Monaten verrechneten Provisionsstorni Provisionen i.H.v. 7.109,09 EUR.
Mit ihrer vor dem LG in Münster erhobenen Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung der Provisionsvorschüsse, soweit diese nicht durch Verrechnung mit vom Beklagten verdienten Provisionen abgegolten oder von dem Erlass gem. § 6 Ziff. 8 des Vertrages erfasst sind, sowie Mieten für die Überlassung eines Notebooks, Zahlung von Telefonkosten und Kosten für eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung.
Die Beklagte hat die Rechtswegzuständigkeit gerügt und gemeint, sie sei nicht selbständige Handelsvertreterin, sondern Arbeitnehmerin der Klägerin. Insoweit hat die Beklagte umfangreich zu ihrer vorgeblichen Einbindung in den Betrieb der Klägerin unter Antritt von Zeugenbeweisen vorgetragen. Jedenfalls sei aber, so hat die Beklagte gemeint, nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG die Zuständigkeit der ArbG gegeben. Insoweit hat sie darauf verwiesen, hauptberuflich nur für die Klägerin tätig gewesen sein zu dürfen und weiter vorgetragen, jedenfalls aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten zu einer anderen Tätigkeit nicht in der Lage gewesen zu sein. Sie sei, nachdem sie zuvor morgens an der Universität neue Kunden für die Klägerin zu werben gehabt habe, täglich von 10 Uhr bis mindestens 20 Uhr auf der Geschäftstelle der Klägerin gewesen, da nur dort ihre Tätigkeit habe ausgeübt werden können. Denn nur dort sei ein Zugriff auf das Intranet der Klägerin möglich gewesen, ohne den ihre Tätigkeit nicht auszuüben gewesen se...