Leitsatz (amtlich)
Für den Begriff "Öffentlichkeit" i.S. des Verkehrsstrafrechts kommt es darauf an, ob der Bereich, in dem sich die Tat ereignet haben soll, der Allgemeinheit zugänglich ist, d.h. ob er von einem zufälligen Personenkreis genutzt werden kann
Verfahrensgang
AG Bochum (Entscheidung vom 31.07.2007) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bochum zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis gemäß den §§ 142, 52 StGB, 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 5 Euro verurteilt und gemäß § 69a eine Sperrfrist von noch sechs Monaten verhängt. Hiergegen richtet sich die Sprungrevision des Angeklagten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen §§ 142 StGB, 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG nicht.
1.
Sowohl unerlaubtes Entfernen vom Unfallort nach § 142 StGB als auch Fahren ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG setzen voraus, dass die Tat im öffentlichen Straßenverkehr begangen worden ist (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl., 2008, § 142 Rn. 8 in Verbindung mit § 315b StGB Rn. 3; Burhoff in: Ludovisy/Eggert/Burhoff, Praxis des Straßenverkehrsrechts, 4. Auflage, 2008, Teil 6 Rn. 281 ff. mit weiteren Nachweisen; siehe auch Krumm VRR 2007, 128). Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verkehrsraum dann öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird (vgl. BGHSt 16, 7, 9 f.; BGH VRS 12, 414, 415 f.; BGHR StGB § 315b Abs. 1 Straßenverkehr 1; vgl. Fischer, a.a.O., § 315b Rn. 3 mit weiteren Nachweisen; Burhoff, a.a.O., Teil 6 Rn. 98; siehe auch noch Deutscher VRR 2005, 83). Umfasst werden demnach nicht nur Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind, sondern auch solche, deren Benutzung durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte größere Personengruppe ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder auf eine verwaltungsrechtliche Widmung durch den Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen wird. Dabei nimmt es der Verkehrsfläche nicht den Charakter der Öffentlichkeit, wenn für die Zufahrt mit Fahrzeugen eine Parkerlaubnis oder für die Nutzung ein Entgelt verlangt wird (BGH NJW 2004, 1965 = DAR 2004, 399 m.w.N.; s. auch BGH DAR 2004, 529 = NStZ 2004, 625). Für die Beurteilung, ob eine Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehrsraum zuzurechnen ist, kommt den äußeren Gegebenheiten, die einen Rückschluss auf das Vorhandensein und den Umfang der Gestattung bzw. Duldung des allgemeinen Verkehrs durch den Verfügungsberechtigten zulassen, maßgebliche Bedeutung zu (BGH, a.a.O.; vgl. wegen der Einzelh. Burhoff, a.a.O., Teil 6, Rn. 91 ff. mit weiteren Nachweisen). Die Frage der Eigentumsverhältnisse ist ohne Belang (Fischer, a.a.O., § 142 Rn. 9 ff.). Entscheidend ist, wie eng der Kreis der Berechtigten umschrieben ist. So kann sich etwa aus einer entsprechenden Beschilderung als "Privat-/Werksgelände", einer Einfriedung des Geländes und einer Zugangsbeschränkung in Gestalt einer Einlasskontrolle ergeben, dass der Verfügungsberechtigte die Allgemeinheit von der Benutzung des Geländes ausschließt. Wenn aufgrund solcher Maßnahmen nur einem beschränkten Personenkreis, wie z.B. Betriebsangehörigen (vgl. OLG Braunschweig VRS 27, 458 [Parkplatz einer Fabrik]), mit einem besonderen Ausweis ausgestatteten Personen (vgl. BGH NJW 1963, 152 [städtischer Großmarkt]) oder individuell zugelassenen Lieferanten und Abholern (vgl. OLG Köln, VersR 2002, 1117 [Produktionsstätte für Baustoffe]) Zutritt zu einem (Betriebs-)Gelände gewährt wird, handelt es sich um eine nicht öffentliche Verkehrsfläche. In diesen Fällen ist der Kreis der Berechtigten so eng umschrieben, dass er "deutlich aus einer unbestimmten Vielheit möglicher Benutzer ausgesondert ist" (vgl. BGHSt 16, 7, 11). Ist dagegen ein Betriebsgelände der Allgemeinheit, d.h. einem nicht durch persönliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis, zugänglich, sind die darauf befindlichen Verkehrsflächen öffentlicher Verkehrsraum im Sinne des Straßenverkehrsrechts des StGB.
Diese Überlegungen gelten nach Auffassung des Senats für den privaten Bereich und die Benutzung privater Gelände entsprechend. Auch insoweit kommt es darauf an, ob der Bereich, in dem sich die Tat ereignet haben soll, der Allgemeinheit zugänglich ist, d.h. ob er von einem zufälligen Perso...