Entscheidungsstichwort (Thema)

Allgemeines Versicherungsvertragsrecht: Arglistige Täuschung durch Versicherungsmakler

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Anfechtung nach § 123 BGB durch den Versicherer nach arglistiger Täuschung durch einen Versicherungsmakler: Die Täuschung ist dem Versicherungsnehmer (jedenfalls dann) zurechenbar, wenn der Makler gegenüber dem Versicherer als Verhandlungsgehilfe/Vertrauensperson des VN aufgetreten ist (Abgrenzung zu OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.06.2010 - 5 U 272/08).

Dies ist (etwa) anzunehmen, wenn - wie hier - der Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages auch vom Makler (ohne besondere, einschränkende Zusätze) unterschrieben ist.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 18 O 18/19)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Gründe

I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Die Berufungsangriffe des Klägers, bezüglich derer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Berufungsbegründung vom 31.01.2020 (Bl. 39 ff. der elektronischen Gerichtsakte 2. Instanz [im Folgenden: eGA II-39 ff.]) verwiesen wird, greifen nicht durch.

Jedenfalls nach dem eigenen Vortrag des Klägers, den sich die Beklagte hilfsweise, spätestens mit dem Berufungszurückweisungsantrag zu eigen gemacht hat, liegt eine dem Kläger zurechenbare arglistige Täuschung seines Maklers vor (§ 22 VVG, § 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB).

a) Der auch von seinem Makler unterzeichnete Antrag des Klägers enthält unstreitig objektiv falsche Angaben.

Macht der Makler für den Antragsteller - wie hier - gefragt objektiv falsche Angaben, indem er objektiv fehlerhaft "Nein" statt "Ja" ankreuzt (Anl. B2 Seite 4, eGA I-95), täuscht er durch aktives Tun (vgl. Senat Beschl. v. 2.8.2019 - 20 U 102/19, BeckRS 2019, 35816 unter I.1.a.aa.(1)). Es kommt dann im Rahmen des § 22 VVG, § 123 Abs. 1 Alt. 1 VVG nicht darauf an, ob eine Offenbarungspflicht im Sinne des § 19 Abs. 1 VVG bestand.

b) Nach dem eigenen Vortrag des Klägers, insbesondere zu Protokoll vom 24.10. 2019 (eGA I-268 ff.) wusste der Makler auch von den Beschwerden und Behandlungen des Klägers. Er wusste danach vom Nabelbruch. Er wusste vom Krankenhausbesuch und von der Operation. Er wusste von Arztbesuchen unmittelbar vor Antragstellung wegen psychischer Probleme.

c) Dass die Beklagte den Antrag ohne die Täuschung jedenfalls nur mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt angenommen hätte (vgl. dazu BGH Urt. v. 23.10.2014 - III ZR 82/13, VersR 2015, 187 = juris Rn. 12 m. w. N.), steht nicht in Streit und entspricht - jedenfalls im Hinblick auf die Behandlung psychischer Probleme - der langjährigen Erfahrung des erkennenden Senats als Fachsenat für Versicherungsvertragsrecht.

d) Macht ein in Versicherungssachen geschulter - noch dazu ein hier seit Jahrzehnten als solcher tätiger - Makler in Kenntnis der Umstände derart falsche Angaben, steht völlig außer Zweifel, dass er nicht nur vorsätzlich handelt, sondern auch arglistig. Denn er erkennt und billigt, dass der Versicherer den Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen - oder erst später nach weiterer Prüfung - angenommen hätte (vgl. m. w. N. nur BGH Beschl. v. 10.5.2017 - IV ZR 30/16, r+s 2017, 408 Rn. 16).

e) Diese arglistige Täuschung seines Maklers als Nichtdrittem im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB ist dem Kläger vorliegend auch zurechenbar.

Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Makler nach Außen gegenüber dem Versicherer als "Verhandlungsgehilfe" / "Vertrauensperson" des Antragstellers auftritt (vgl. grundlegend BGH Urt. v. 26.9.1962 - VIII ZR 113/62, NJW 1962, 2195, 2195 f. m. w. N.; BGH Urt. v. 6.7.1978 - III ZR 63/76, NJW 1978, 2144 unter I.3 = juris Rn. 28, 30; BGH Urt. v. 8.2.1989 - IVa ZR 197/87, r+s 1989, 233 unter II.3 = juris Rn. 17 f.; BGH Urt. v. 1.6.1989 - III ZR 261/87, NJW 1989, 2879 unter II.2 = juris Rn. 15; BGH Urt. v. 20.11.1995 - II ZR 209/94, NJW 1996, 1051 = juris Rn. 14-16 ausdrücklich zum Makler; BGH Urt. v. 30.3.2011 - VIII ZR 94/10, NJW 2011, 2874 Rn. 15 ff.; BGH Beschl. v. 12.3.2008 - IV ZR 330/06, VersR 2008, 809 Rn. 8 a. E.; siehe auch BGH Urt. v. 24.1.1992 - V ZR 262/90, BGHZ 117, 104 = NJW 1992, 1099 = juris Rn. 11; BGH Urt. v. 21.6.2000 - IV ZR 157/99, r+s 2000, 489 unter II.4.b = juris Rn. 17).

Das war hier der Fall.

Denn der vorliegende Fall liegt anders als der vom Oberlandesgericht Saarbrücken mit Billigung des Bundesgerichtshofs entschiedene Fall (vgl. dazu OLG Saarbrücken Urt. v. 16.6.2010 - 5 U 272/08, zfs 2012, 704 = juris Rn. 90 ff.; zum Hinweis des BGH siehe zfs 2012, ...

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