Leitsatz (amtlich)

Für eine auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück gerichtete und auf § 11 AnfG gestützte Klage ist kein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß § 24 ZPO begründet. Das ist die überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretene Rechtsmeinung. Will ein Gericht bei der Beurteilung einer Zuständigkeitsfrage von der ihm durch eine der Parteien mitgeteilten ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur abweichen, ist es regelmäßig erforderlich, dass sich das Gericht erkennbar nach einem Abwägungs- und Entscheidungsprozess der Mindermeinung angeschlossen und sich über maßgebliche Rechtsfragen nicht evident hinweggesetzt hat. Eine ohne eine solche Begründung ausgesprochene Verweisung kann grob rechtsfehlerhaft und nicht verbindlich sein.

 

Normenkette

ZPO §§ 12, 17, 24, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281; AnfG § 11

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 2 O 261/16)

 

Tenor

Das Verfahren wird dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts für den Rechtsstreit vorgelegt.

 

Gründe

I. Die Kläger machen mit einer zunächst vor dem LG Essen gegen die beiden Beklagten erhobenen Klage jeweils einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück geltend, das in deren Eigentum steht. Die Kläger tragen zur Begründung der Klage vor, die Beklagten hätten die Grundstücke durch eine der Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz unterliegende Übertragung von einer SJ Tourismus und W GmbH erworben, der gegenüber die Kläger eine titulierte Forderung in Höhe von 64.796,92 EUR hätten.

Die Beklagten sind Gesellschaften bürgerlichen Rechts mit Sitz in F. Die Grundstücke liegen im Bezirk des LG Stralsund.

Die Beklagten haben die Zuständigkeit des LG Essen gerügt. Es bestehe eine ausschließliche Zuständigkeit des LG Stralsund gem. § 24 ZPO. Die Beklagten haben dazu auf die Kommentierung in Zöller, Zivilprozessordnung, und in Huber, Anfechtungsgesetz, berufen.

Die Kläger persönlich haben darauf Verweisung an das LG Stralsund beantragt. Mit Schriftsatz vom 13.01.2017 haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger unter Hinweis auf die "ganz herrschende Meinung" - die sie mit einer Vielzahl von Zitatstellen belegt haben - die Auffassung vertreten, § 24 ZPO sei nicht anwendbar. Hilfsweise haben sie für die Kläger die Verweisung an das LG Stralsund beantragt.

Das LG Essen hat durch Beschluss vom 17.01.2017 den Rechtsstreit an das LG Stralsund verwiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, das Gericht schließe sich der Auffassung an, nach der § 24 ZPO auch im Fall der Gläubigeranfechtung nach dem AnfG eingreife. Zuständig sei danach das LG Stralsund.

Das LG Stralsund hat sich durch Beschluss vom 27.01.2017 ebenfalls für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt. Die Verweisung sei willkürlich. Nach der ganz herrschenden Meinung sei § 24 ZPO nicht auf den Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück anwendbar. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Vorlagebeschluss verwiesen.

Der Senat hat die Beteiligten angehört. Die Beklagten halten die Verweisung für bindend.

II. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO sind gegeben. Danach hat ein nach § 36 Abs. 2 ZPO zuständiges (vgl. BGH, Beschl. vom 21.06.2000 - XII ARZ 6/00, NJW 2000, 3214, 3215, beck-online) Oberlandesgericht die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn es bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will.

1. Das Oberlandesgericht Hamm ist zu der Entscheidung des Zuständigkeitsstreits gem. § 36 Abs. 1, Abs. 2 ZPO berufen. Das nächsthöhere Gericht über den streitenden LGen Essen und Stralsund ist der Bundesgerichtshof. Das LG Essen ist das zuerst mit der Sache befasste Gericht und liegt in dem Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm.

2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das LG Essen als auch das LG Stralsund haben sich durch rechtskräftigen Beschluss im Sinne dieser Vorschrift (vgl. dazu Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 36 ZPO Rn. 24) für unzuständig erklärt.

3. Zuständig ist nach Auffassung des Senats gem. den §§ 12, 17 ZPO das LG Essen als das Gericht, das für den Sitz der beklagten Gesellschaften bürgerlichen Rechts zuständig ist. § 17 ZPO ist auf aktiv am Rechtsverkehr teilnehmende Gesellschaften bürgerlichen Rechts anwendbar (Heinrich in: Musielak/Voit, 13. Aufl. 2016, ZPO, § 17 ZPO Rn. 3 und 10, beck-online m.w.N.; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.12.2008 - 19 U 101/08, BeckRS 2009, 25687, beck-online).

Eine Zuständigkeit des LG Stralsund folgt weder aus § 24 ZPO noch aus § 281 Abs. 1, 2 ZPO.

a) Eine ausschließliche Zuständigkeit gem. § 24 ZPO bei dem LG Stralsund ist für die vorliegende, auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück gerichtete und auf § 11...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge