Leitsatz (amtlich)

Eine Berufung kann seit dem 01.01.2022 grds. nicht wirksam durch ein Faxschreiben eingelegt werden. Eine Ausnahme nach § 130d S. 2 ZPO liegt nicht vor, wenn ein nach § 130a ZPO zugelassener Übermittlungsweg noch nicht in Betrieb genommen oder eingerichtet wurde.

 

Normenkette

ZPO §§ 130a, 130d

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 6 O 426/20)

 

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit, hierzu innerhalb von drei Wochen ab Zugang Stellung zu nehmen.

 

Gründe

I. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen ein vom Landgericht am 25.01.2022 verkündetes und der Beklagten am 31.01.2022 zugestelltes zweites Versäumnisurteil. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten übermittelte dem Oberlandesgericht die Berufungsschrift mit Fax vom 28.02.2022. Das Original der Berufungsschrift ging am Folgetag per Post ein. Die Prozessbevollmächtigte teilte in der Berufungsschrift mit, dass sie ihr besonderes elektronisches Anwaltspostfach nicht aktiv nutzen könne, weil die Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer ihren signaturrechtlichen Antrag vom 29.12.2021 noch nicht bearbeitet habe. Kurz darauf übermittelte die Prozessbevollmächtigte die Berufungsschrift vom 28.02.2022 über ihr besonderes elektronisches Anwaltspostfach als zwei elektronische Dokumente, die am 08. und 14.03.2022 beim Oberlandesgericht eingingen.

II. Die Berufung ist nach vorläufiger Bewertung des Senats unzulässig.

1. Die Beklagte hat die Berufung innerhalb der Berufungsfrist nicht formgerecht eingelegt (§§ 519 Abs. 1, Abs. 4, 130d Satz 1 ZPO).

a) Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift beim Berufungsgericht eingelegt, auf welche die allgemeinen Vorschriften über vorbereitende Schriftsätze anzuwenden sind (§ 519 Abs. 4 ZPO). Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 130d Satz 1 ZPO). Diese Vorschrift ist nach Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 mit Wirkung zum 01.01.2022 in Kraft getreten (vgl. BGBl. I S. 3786 ff.). Sie gilt grundsätzlich für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO (vgl. BTDrucks. 17/12634 S. 28). Die Anforderungen an ein elektronisches Dokument sind in § 130a ZPO geregelt. Danach muss ein elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO). Die sicheren Übermittlungswege ergeben sich aus § 130a Abs. 4 ZPO, wozu u.a. das besondere elektronische Anwaltspostfach gehört (§ 130a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die Einhaltung dieser Vorschriften ist eine Frage der Zulässigkeit der Berufung und daher von Amts wegen zu beachten. Sie steht nicht zur Disposition der Beteiligten (§ 295 Abs. 2 ZPO).

b) Diesen Formerfordernissen genügt die mit Fax vom 28.02.2022 eingelegte Berufungsschrift nicht.

Das Fax ist kein elektronisches Dokument. Daher ist es auch weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen noch auf einem sicheren Übermittlungsweg i.S.v. § 130a Abs. 4 ZPO eingereicht worden. Die Nichtbeachtung des § 130d ZPO führt zur Unwirksamkeit der Prozesserklärung (vgl. BTDrucks. 17/12634 S. 27) - hier der Einlegung der Berufung. Die späteren Berufungsschriften, welche die Beklagte mit der Post am 01.03.2022 und über das besondere elektronische Anwaltspostfach am 08. und 14.03.2022 übermittelt hat, sind nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangen, die am 28.02.2022 endete (§§ 517, 188 Abs. 3 BGB). Die nicht fristgerecht eingereichten Berufungsschriften können den Verstoß gegen § 130d Satz 1 ZPO nicht heilen, auch wenn die nachgereichten elektronischen Dokumente vom 08. und 14.03.2022 den Formanforderungen genügen.

2. Die Beklagte kann sich nicht auf § 130d Satz 2 ZPO berufen.

a) Nach dieser Vorschrift bleibt das Einreichen von Schriftstücken nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 129 ff. ZPO) ausnahmsweise zulässig, wenn eine Übermittlung als elektronisches Dokument aus "technischen Gründen vorübergehend" nicht möglich ist. Der Gesetzgeber hat mit den Einschränkungen "aus technischen Gründen" und "vorübergehend" ausdrücklich klargestellt, dass hierdurch professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit entbunden sind, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzunehmen (vgl. BTDrucks. 17/12634 S. 28; OVG Münster, Beschluss vom 10.03.2022, 19 E 147/22, juris Rn. 4 [zu § 55d VwGO]).

b) Daher kann die Prozessbevollmächtigte der Beklagten ni...

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