Leitsatz (amtlich)
1.
Ein generelles Alkoholverbot für den Bereich einer der Öffentlichkeit allgemein und ohne besondere Zulassung zugänglichen öffentlichen Grünfläche kann nicht als Benutzungsordnung einer öffentlichen Einrichtung i.S.v. § 8 GO NW durch die Gemeinde wirksam erlassen werden.
2.
Der Alkoholkonsum auf öffentlichen Verkehrsflächen ist auch keine straßenrechtliche Sondernutzung. Er hält sich vielmehr als solcher noch im Rahmen des Gemeingebrauchs an öffentlichen Verkehrsflächen.
Deshalb kann das generelle Alkoholverbot nicht im Rahmen einer Sondernutzungssatzung gem. § 19 Satz 1 StrWG NW wirksam erlassen werden.
3.
Auch § 27 Abs. 1 OBG NW scheidet als Ermächtigungsgrundlage aus, es sei denn es lägen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Konsum von Alkohol regelmäßig und typischerweise zum Eintritt von Schäden, etwa infolge von alkoholbedingten Gewaltdelikten, führt.
Verfahrensgang
AG Bielefeld (Entscheidung vom 05.11.2009; Aktenzeichen 36 OWi 33 Js 2252/09 (1867/09)) |
Tenor
1.
Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern
übertragen.
2.
Das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 05. November 2009 wird
aufgehoben.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen entstandenen
notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Bielefeld hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 05. November 2009 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das in der öffentlichen Grünanlage "Stadthalle C" geltende Alkoholverbot eine Geldbuße von 50,00 EUR verhängt und ihm nachgelassen, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von 10,00 EUR zu zahlen.
Nach den zugrundeliegenden Feststellungen hielt sich der Betroffene am 11. Juli 2009 kurz vor 14.00 Uhr in der Grünanlage der Stadthalle in C im Bereich des Zugangs zur U-Bahn-Haltestelle I, der sog. "Tüte", auf. Entgegen dem ihm bekannten Verbot soll der Betroffene dort Alkohol, vermutlich klaren Schnaps, aus einem sog. "Flachmann" konsumiert haben.
Der Betroffene hat im Verlaufe des Bußgeldverfahrens mehrfach Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der das Alkoholverbot anordnenden Satzung der Stadt C geäußert. Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt, dass der Betroffene sich einer Ordnungswidrigkeit gem. § 6 Abs.1 Nr. 1, Abs. 2; § 3 Abs. 2 e) der Satzung über die Benutzung der öffentlichen Grünanlage "Stadthalle C" vom 19.06.2009 unter Berücksichtigung der Änderungssatzung vom 25.06.2009 schuldig gemacht habe. Die Satzung sei wirksam. Sie sei sowohl im Gemeindeverordnungsblatt als auch in den örtlichen Tageszeitungen vor dem Vorfallstag bekanntgegeben worden. Auf die "völlig abwegigen und neben der Sache liegenden Einwendungen des Betroffenen gegen die Verfassungswidrigkeit der Satzung (sei) - so das Amtsgericht in den Gründen des angefochtenen Urteils - nicht weiter einzugehen".
Die vom Amtsgericht in Bezug genommene "Satzung über die Benutzung der öffentlichen Grünanlage "Stadthalle C" hat u.a. folgenden Wortlaut:
"§ 1 Widmungszweck
Die Stadt C stellt ihre Grünanlage "Stadthalle C" ihren Einwohnerinnen und Einwohnern und den Besucherinnen und Besuchern der Stadt als öffentliche Einrichtung zur Naherholung, zur kulturellen Begegnung und für öffentliche Veranstaltungen im Rahmen der Aktivitäten der Stadthalle C zur Verfügung.
Die Satzung dient der geregelten Benutzung und der Verkehrssicherheit im Bereich der Grünanlage "Stadthalle C".
§ 3 Verhalten in der Grünanlage "Stadthalle C"
(1)
Jeder hat sich in der Grünanlage "Stadthalle C" so zu verhalten, dass andere nicht gefährdet, geschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt werden.
(2)
Unabhängig von Absatz 1 ist in der Grünanlage generell verboten
a. - d)
...
e)
das Konsumieren von Alkohol.
§ 6 Ordnungswidrigkeiten
(1)
Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1.
den Ge- und Verboten des § 3 zum Verhalten in der Grünanlage "Stadthalle C" zuwiderhandelt;
2.
...
3.
...
(2)
Die Verfolgung und Ahndung dieser Zuwiderhandlungen richtet sich nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der jeweils gültigen Fassung, soweit sie nicht nach Bundes- oder Landesrecht mit Strafen oder Geldbußen bedroht sind."
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Betroffene mit am 11. November 2009 bei dem Amtsgericht in Bielefeld eingegangenem Schreiben vom selben Tage Rechtsbeschwerde eingelegt. Nach Urteilszustellung an ihn am 04. Dezember 2009 hat er am 22. Dezember 2009 zu Protokoll der Rechtsantragsstelle beim Amtsgericht in Bielefeld seine Rechtsbeschwerde mit näheren Ausführungen begründet. Er macht zum Einen die Verletzung rechtlichen Gehörs geltend, da die Amtsrichterin sich geweigert habe, seine Bedenken gegen die "Verfassungsmäßigkeit" der Satzung zur Kenntnis zu nehmen. Darüber hinaus wendet er sich mit näheren Ausführungen gegen die Rechtmäßigkeit der fraglichen Satzung.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Rechtsbeschwerde wa...