Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweisantrag, Bußgeldverfahren, Ablehnung, Verspätung, Fahrverbotsentscheidung, Begründung. Rechtsbeschwerde. Bußgeldverfahren
Leitsatz (amtlich)
1.
Wird mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, ein Beweisantrag hätte nicht wegen Verspätung abgelehnt werden dürfen ( § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG ), muss sich aus dem Rechtsbeschwerdevorbringen ergeben, ob das AG zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Beweisantrag zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung geführt hätte.
2.
Ein Beweisantrag darf nur dann nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG abgelehnt werden, wenn anderenfalls die Hauptverhandlung ausgesetzt werden müsste.
3.
Die Fahrverbotsentscheidung muss begründet werden.
Normenkette
OWiG § 77; BkatV § 4; StPO § 267
Verfahrensgang
AG Schwelm (Entscheidung vom 21.12.2009) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Schwelm zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Schwelm hat den Betroffenen durch Urteil vom 21. Dezember 2009 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 160,00 EUR verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet.
Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
"I.
Zu der Person des Betroffenen sind im Verkehrszentralregister bislang keine Eintragungen verzeichnet.
II.
Der Betroffene befuhr am 09.05.2009 gegen 17.17 Uhr in H. die G. Straße als Führer des Fahrzeugs VW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXX mit einer Geschwindigkeit von 116 km/h (nach Abzug der Toleranz). Hierdurch überschritt er die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit um 46 km/h.
Im Messbereich ist die erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h begrenzt, bevor die erlaubte Geschwindigkeit auf 50 km/h herabgesetzt wird.
Die Geschwindigkeit des Betroffenen wurde mittels des Messgerätes ProVida, eingebaut in ein Motorrad, gemessen.
Unter Zugrundelegung des Wegstreckenzählers und der in dieser Zeit gemachten Einzelbilder befuhr der Betroffene die Strecke mit einer Geschwindigkeit von 123,8 km/h. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Bl. 5 d.A. verwiesen.
Nach Abzug der Toleranz für etwaige Fehlerquellen bei diesem Messverfahren, die für dieses Messverfahren bei Geschwindigkeiten von über 100 km/h bei 5% liegt, ergibt dies eine Netto-Geschwindigkeit von 116 km/h."
Die Rechtsfolgen hat das Amtsgericht wie folgt begründet:
"V.
Bei der Rechtsfolgenbemessung ist das Gericht von den Regelsätzen der Bußgeldverordnung ausgegangen. Diese sieht für eine außerhalb geschlossener Ortschaft mit einem Pkw begangene Geschwindigkeitsüberschreitung von 46 km/h eine Geldbuße von 160 Euro, sowie ein Regelfahrverbot von 1 Monat vor. Unter Berücksichtigung der §§ 25 Abs. 2a StVG und 4 Abs. 1 BKatV war dem Betroffenen eine Abgabefrist von vier Monaten zu gewähren.
Im Übrigen hatte das Gericht vorliegend keine Veranlassung von dem Fahrverbot abzusehen unter Erhöhung der Geldbuße. Zwar behauptete der Betroffene im Hauptverhandlungstermin aus beruflichen Gründen auf den Führerschein angewiesen zu sein. Belegt oder gar bewiesen wurde dies zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht. Auch ein entsprechender Beweisantrag wurde nicht gestellt."
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet worden ist.
II.
Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache einen teilweisen und zumindest auch vorläufigen Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu folgendes ausgeführt:
"Das Rechtsmittel ist zulässig, erweist sich, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, jedoch als unbegründet.
Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG durch die Ablehnung des auf Einholung eines Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantrags als verspätet ist unzulässig. Nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn "die den Mangel enthaltenen Tatsachen angegeben" sind. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu erfolgen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensverstoß vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen (zu vgl. BGH, NStZ 2001, 425 ). Diesen Anforderungen wird die Rechtsbeschwerdebegründung nicht gerecht. Der Beschwerdeschrift lässt sich nämlich nicht entnehmen, zu welchem Zeitpunkt die Einholung eines Sachverständigengutachtens möglich gewesen wäre. Es kann daher auf Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht überprüft werden, ob das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Beweiserhebung zu einer Aussetzung der Verhandlung geführt hätte.
Ungeachtet dessen bleibt Folgendes anzumerken: Der Ablehnungsgrund der verspäteten Antragstellung gem. § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG setz...