Leitsatz (amtlich)
1. Allein der Zeitablauf von mehr als fünf Jahren seit Abschluss eines Vergleichs führt nicht ohne weiteres zum Wegfall einer in diesem Vergleich vorgenommenen Einkommensfiktion (vgl. BGH FamRZ 2008, 872).
2. Erst wenn der Unterhaltspflichtige sich ernsthaft und intensiv ohne Erfolg um eine Arbeitsstelle bemüht hat, ist ihm das fiktive Einkommen nicht mehr zuzurechnen, was in einem Abänderungsverfahren geltend gemacht werden kann.
Normenkette
FamFG § 239
Verfahrensgang
AG Marl (Beschluss vom 03.09.2012; Aktenzeichen 12 F 267/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Marl vom 3.9.2012 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen Abänderungsantrag titulierten Kindesunterhalt betreffend mit dem Ziel des Wegfalls der Unterhaltsverpflichtung ab August 2012.
Er ist Vater des Kindes N, welches bei seiner Mutter wohnhaft ist. Er verpflichtete sich vor dem AG Marl mit Vergleich vom 25.4.2007 - 12 F 487/09 AG Marl -, ab Dezember 2006 an die Kindesmutter für den am 1.12.2006 geborenen Antragsgegner einen monatlichen Unterhaltsbetrag i.H.v. 199 EUR zu zahlen. Ausweislich des Protokolls wies das Gericht die Beteiligten vor Vergleichsabschluss darauf hin, dass der Antragsteller bei Steuerklasse I mit einem Kinderfreibetrag von 0,5 bei einer vollschichtigen Tätigkeit unter Zugrundelegung des Bruttolohnes von 11,01 EUR/Stunde einen Nettolohn i.H.v. 1.239 EUR erzielen würde. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses war der Antragsteller bei der Firma S in seiner erlernten Tätigkeit als Einzelhandelskaufmann lediglich teilzeitbeschäftigt.
Der Antragsteller ist seit August 2004 gelernter Einzelhandelskaufmann. Er arbeitete nach seiner Ausbildung rund drei Jahre im Marktbereich der S-Gruppe. Im Jahr 2007 oder 2008 wurde er arbeitslos und übte danach eine Tätigkeit als Lagerhelfer aus. Hierzu trägt er vor, er habe keine Möglichkeit gehabt, im Bereich seines ausgebildeten Berufes tätig zu werden. Noch im Jahre 2008 wurde er wieder arbeitslos. Im Zeitraum 2010 bis 2011 war er als stellvertretender Marktleiter bei der Firma O tätig. Der Antragsteller verlor auch diese Stelle. Seit dem 6.9.2011 nahm der Antragsteller eine vollschichtige Tätigkeit als Paketfahrer auf, mit der er ein Einkommen i.H.v. 1.900 EUR brutto erzielte, was monatlich netto 1.190,62 EUR entsprach. Über das Vermögen des Geschäftsbetriebes seiner Anstellungsfirma wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Angesichts dessen traf er mit dem Insolvenzverwalter zum Ablauf des 31.10.2012 eine Aufhebungsvereinbarung. Seither ist er arbeitslos. Zur Begründung seines Abänderungsbegehrens hat der Antragsteller sich auf Leistungsunfähigkeit berufen.
Er hat für die Zeit, in der er noch berufstätig war, Fahrtkosten i.H.v. 366 EUR monatlich geltend gemacht. Hierzu hat er behauptet, angesichts seines Schichtdienstes und der unregelmäßigen Anfangs- und Endzeiten sei ihm die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar. Für die Errechnung der Fahrtkosten hat er eine Wegstrecke von 34,71 km von seinem Wohnsitz zum Firmensitz zugrunde gelegt.
Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 3.9.2012 den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsteller habe nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, dass er nicht in der Lage sei, weiterhin einen Stundenlohn von 11,01 EUR zu erzielen. Der Antragsteller könne sich auch nicht darauf berufen, dass sich die damalige Schätzung des Gerichtes nicht bestätigt habe. Der Vortrag, dass ein Stundenlohn von 11,01 EUR nur im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung möglich sei, überzeuge nicht.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Zur Begründung trägt er unter Vorlage von 15 Bewerbungsschreiben aus dem Monat September 2012 vor, er bewerbe sich zwischenzeitlich umfangreich in seiner gelernten Tätigkeit als Einzelhandelskaufmann. Die damalige Prognose, er könne fiktiv ein Einkommen von 11,01 EUR brutto erzielen, habe sich als nicht richtig erwiesen. Die Bewerbungsbemühungen würden noch andauern. Er werde demnächst wiederum Bewerbungen zur Verfügung stellen.
Das Familiengericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, der Antragsteller habe vor Antragstellung offenbar keinerlei Bewerbungsbemühungen unternommen. Die vorgelegten Bewerbungsschreiben stellten gerade keinen Beleg dafür da, dass ein Stundenlohn von 11,01 EUR nicht erzielbar sei.
Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, dass der Antragsteller sich zumindest seit 2007 habe bemühen müssen, eine Tätigkeit in seinem erlernten Beruf als Einzelhandelskaufmann zu finden, um den aktuellen Mindestunterhalt zahlen zu können.
Trotz mehrfacher Ankündigungen, Bewerbungsversuche zur Akte einzureichen, hat der Antragsteller weitere Bewerbungsunterlagen nicht vorgelegt.
II. Die zulässige B...