Verfahrensgang
AG Bielefeld (Aktenzeichen 37 OWi 465/10) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 500 € verurteilt sowie ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat mit der - von der ebenfalls erhobenen Rüge der Verletzung des Anspruches auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu unterscheidenden (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2004, 307) - Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, § 222 Abs. 1 Satz 1 StPO (vorläufig) Erfolg. Die Rüge der Verletzung des Anspruches auf Gewährung rechtlichen Gehörs und die Sachrüge bedürfen deshalb keiner Erörterung.
1. Der Betroffene macht unter Wahrung der Begründungsanforderungen nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu Recht geltend, dass das Amtsgericht in der Hauptverhandlung den Zeugen Q vernommen hat, ohne dass dem in der Hauptverhandlung - befugt - nicht anwesenden Betroffenen oder seinem in der Hauptverhandlung ebenfalls nicht anwesenden Verteidiger Mitteilung von der Ladung dieses Zeugen gemacht worden war.
Nach §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, § 222 Abs. 1 Satz 1 StPO hat das Gericht dem Betroffenen die zur Hauptverhandlung geladenen Zeugen rechtzeitig namhaft zu machen. Dies gilt auch dann, wenn die Zeugen - wie im vorliegenden Falle - bereits im Bußgeldbescheid aufgeführt waren (OLG Hamm, NJW 1996, 534, 535; BayObLG bei Rüth, DAR 1986, 237, 247). Diese Regelung hat das Amtsgericht nicht beachtet. Es hat die mit richterlicher Verfügung vom 17. Februar 2011 (Blatt 69 R d.A.) angeordnete Ladung des Zeugen Q dem Betroffenen und seinem Verteidiger weder in den Ladungsurkunden noch auf sonstige Weise bekanntgemacht.
2. Das angefochtene Urteil beruht (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 337 Abs. 1 StPO) auf der Verletzung der §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, § 222 Abs. 1 Satz 1 StPO. Ein Beruhen des Urteils auf der Verletzung der vorbezeichneten Vorschriften kann in der Regel nicht ausgeschlossen werden, wenn der Betroffene in der Hauptverhandlung befugt abwesend war und auch nicht durch einen Verteidiger vertreten wurde - und damit den hier in Rede stehenden Verstoß auch nicht zum Anlass für einen Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung nach §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, § 246 Abs. 3 StPO machen konnte - und das Gericht die Verurteilung des Betroffenen auf die Angaben des unter Verstoß gegen §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, § 222 Abs. 1 Satz 1 StPO vernommenen Zeugen gestützt hat (vgl. RGSt 21, 100; OLG Hamm, MDR 1971, 1029; NJW 1996, 534; OLG Hamburg, JW 1928, 2292; OLG Koblenz, VRS 46, 447; Gmel in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. [2008], § 222 Rdnr. 12; LR-Gollwitzer, 25. Aufl. [2001], § 222 Rdnr. 23 f). So liegt der Fall hier.
3. Wegen dieses Mangels ist das angefochtene Urteil nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache nach § 79 Abs. 6 OWiG zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Bielefeld zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2850870 |
ZAP 2011, 1239 |