Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderjährigenunterhalt: Festsetzung zugunsten der Unterhaltsvorschusskasse in dynamisierter Form
Leitsatz (amtlich)
Auch zugunsten der Unterhaltsvorschusskasse kann der laufende Unterhalt minderjähriger Kinder in dynamsierter Form festgesetzt werden.
Normenkette
UVG § 7 Abs. 4; FamFG §§ 249, 252 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Altena (Beschluss vom 04.06.2010; Aktenzeichen 8a FH 16/10) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des AG - Familiengericht - Altena vom 4.6.2010 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der aufgrund der Unterhaltsvorschussleistungen des Antragstellers an das Kind B, geb. am 27.8.2009, von dem Antragsgegner an den Antragsteller monatlich im Voraus zum ersten eines jeden Monats zu zahlende Kindesunterhalt wird wie folgt festgesetzt:
- ab dem 1.3.2010 auf 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der ersten Altersstufe nach § 1612a BGB, abzgl. des jeweiligen vollen Kindergelds für ein erstes Kind;
- ab dem 1.8.2015 auf 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts der zweiten Altersstufe nach § 1612a BGB, abzgl. des jeweiligen vollen Kindergelds für ein erstes Kind.
Die Festsetzung des laufenden Unterhalts erfolgt unter der Bedingung, dass der Antragsteller künftig Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind erbringt. Die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz werden längstens für insgesamt 72 Monate oder bis zur Vollendung des 12. Lebensjahres des Kindes erbracht.
Der von dem Antragsgegner an den Antragsteller zu zahlende Unterhaltsrückstand für die Zeit vom 1.10.2009 bis 28.2.2010 wird auf 610,26 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 3.5.2010 festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
2. Gerichtskosten für die Beschwerdeinstanz werden nicht erhoben (§ 20 FamGKG), außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das antragstellende Land Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: der Antragsteller) erbringt für den am 27.8.2009 geborenen Sohn des Antragsgegners seit dem 1.9.2009 laufend Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG).
Mit Schreiben vom 5.10.2009 informierte der Antragsteller den Antragsgegner über die Unterhaltsvorschussleistung und forderte ihn zur Auskunftserteilung auf.
Mit Antrag vom 18.2.2010 begehrte der Antragsteller die Festsetzung von Kindesunterhalt gegen den Antragsgegner im vereinfachten Verfahren i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts abzgl. des Kindergeldes i.H.v. 184 EUR für ein erstes Kind ab dem 1.10.2009.
Nach Anhörung des Antragsgegners hat das AG mit Beschluss vom 10.6.2010 den laufenden Unterhalt ab dem 1.3.2010 auf gleichbleibend 317 EUR abzgl. Kindergeld i.H.v. 184 EUR festgesetzt, und zwar auch für die Zeit ab Erreichen der 2. Altersstufe. Dem weitergehenden Antrag hat es nicht entsprochen.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsteller dagegen, dass das AG die Festsetzung des Unterhalts nicht in dynamisierter Form vorgenommen hat.
II.1. Für das Rechtsmittel sind die seit dem 1.9.2009 geltenden Vorschriften des FamFG und nicht die bis zum 31.8.2009 geltende Rechtslage maßgebend, da das Verfahren am 20.2.2010 und damit erst nach dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist (Art. 111 Abs. 1 FGG-Reformgesetz).
2. Die Beschwerde ist nach den §§ 58 ff., 256 FamFG statthaft.
a) Der Zulässigkeit der Beschwerde steht insbesondere § 250 Abs. 2 Satz 3 FamFG nicht entgegen.
Die Unanfechtbarkeit nach dieser Vorschrift greift nur in den Fällen, in denen der Antrag zurückgewiesen wird, weil er nicht den in §§ 250 Abs. 1, 249 FamFG bezeichneten Voraussetzungen entspricht. Die teilweise Zurückweisung des Antrags beruht indes nicht darauf, dass die Rechtspflegerin insoweit das vereinfachte Verfahren für unzulässig erachtet hätte. Vielmehr geht es vorliegend um die materiell-rechtliche Frage, ob die Unterhaltsvorschusskasse nach § 7 Abs. 4 Satz 1 UVG für die Zukunft überhaupt - also unabhängig davon, ob dies im Wege eines normalen Zahlungsantrags oder eines vereinfachten Festsetzungsverfahrens erfolgt - Unterhalt in dynamisierter Form geltend machen kann.
b) Mit der Beschwerde macht der Antragsteller auch eine der in § 252 Abs. 1 FamFG bezeichneten Einwendungen geltend. Ein Antragsteller, dessen zulässigem Antrag materiell nicht voll entsprochen wird, ist durch die insoweit unterbliebene Unterhaltsfestsetzung ebenso in der Sache beschwert wie der Antragsgegner, zu dessen Lasten ein (zu hoher) Unterhaltsanspruch festgesetzt wird. Dem Antragsteller muss es deshalb ebenso wie dem Antragsgegner gestattet sein, die gem. § 256 Satz 1 FamFG zulässige Einwendung des § 252 Abs. 1 Nr. 3b FamFG mit der Beschwerde geltend zu machen (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2008, 289; OLG Stuttgart FamRZ 2006, 1769; Keidel/Giers, FamFG 16. Aufl., § 256 Rz. 7; Klein in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, § 256 Rz. 7). Der Festsetzung eines geringeren als des beantragten Betrages gleichzuset...