Leitsatz (amtlich)
Durch einseitige und der Sache nach nicht gerechtfertigte Vorwürfe kann der Antragsteller das Vertrauensverhältnis nicht schädigen, um dann gem. § 48 Abs. 2 BRAO die Entpflichtung des vormals selbst gewählten Rechtsanwalts, der seinerseits keinen Anlass zu einem Vertrauensverlust gegeben hat, zu erreichen.
Normenkette
BRAO § 48 Abs. 2; ZPO § 121 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Hamm (Aktenzeichen 31 F 10/22) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hamm vom 03.08.2022 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Im vorliegenden Scheidungsverfahren begehrt die Antragstellerin die Scheidung der am 12.07.2002 mit dem Antragsgegner geschlossenen Ehe. Auf ihren Antrag wurde ihr mit Beschluss vom 01.03.2022 Rechtsanwältin A als Verfahrensbevollmächtigte bei zugleich erfolgter Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beigeordnet.
Mit Schreiben vom 18.05.2022 teilte die Antragstellerin dem Amtsgericht mit, sie habe das Vertrauen zu ihrer Anwältin verloren und bat um direkte Zusendung gerichtlicher Schreiben an sie selbst.
Mit weiterem Schreiben vom 19.05.2022 teilte sie mit, Rechtsanwältin A habe "hinter ihrem Rücken" Vereinbarungen mit der Gegenseite getroffen und bat um Beiordnung der Rechtsanwaltskanzlei B, C und Kollegen.
Rechtsanwältin A hat ihrer Entpflichtung zugestimmt, dabei aber klargestellt, sie habe keine Vereinbarungen ohne Kenntnis der Antragstellerin mit der Gegenseite getroffen. Es sei lediglich - dies allerdings in Anwesenheit der Antragstellerin - in dem Parallelverfahren Sorge (31 F 11/22 AG Hamm) eine Vereinbarung zum Sorgerecht getroffen worden.
Das Amtsgericht hat es mit Beschluss vom 03.08.2022 abgelehnt, Rechtsanwältin A zu entpflichten und diesen Beschluss damit begründet, ein wichtiger Grund im Sinne des § 48 Abs. 2 BRAO liege nicht vor.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und ergänzt es dahin, Rechtsanwältin A habe ihr Schriftsätze und E-Mails nicht weitergeleitet.
Mit am 16.08.2022 erlassenen Beschluss hat das Amtsgericht - Familiengericht - Hamm der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit der zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die nach den §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, insbesondere gemäß den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 3, 567 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch unbegründet.
Der Antrag auf Aufhebung der Rechtsanwaltsbeiordnung war abzulehnen. Hierbei kann es offen bleiben, ob die Antragstellerin überhaupt antragsbefugt ist (1.), denn es liegen jedenfalls keine dieses Begehren stützendenden Gründe vor (2.).
1. In Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums wird die Auffassung vertreten, dass nach § 48 Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) nur der beigeordnete Anwalt, nicht aber die von ihm betreute Partei die Entpflichtung und Beiordnung eines anderen Anwalts beantragen kann und somit der Antragstellerin hier bereits die Antragsbefugnis fehlen würde (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25. November 1993 - 6 WF 102/93 -juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. Januar 2002 - 9 WF 232/00 - FamRZ 2002, 89; (Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 121 Beiordnung eines Rechtsanwalts, Rn. 38).
2. Nach anderer Auffassung ist auch die Partei selbst berechtigt, die Entpflichtung des ihr beigeordneten Anwalts und die Beiordnung eines anderen Anwalts zu beantragen, wenn hierfür ein wichtiger Grund besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. August 2001 - 8 PKH 10/00, 8 C 20/00 -juris; BFH, Beschluss vom 19. März 2013 - XI S 2/13 [PKH] - juris 7).
Die Frage der Antragsbefugnis kann jedoch vorliegend dahingestellt bleiben, weil der Antrag in der Sache keinen Erfolg hat.
Die Anwaltsbeiordnung durch Beschluss vom 01.03.2022 erfolgte antrags- und ordnungsgemäß. Gründe für eine rückwirkende Aufhebung sind nicht gegeben.
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts erfolgt vorliegend im Verfahrenskostenhilfeverfahren nach §§ 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 121 ZPO. Ist, wie in Ehesachen jedenfalls für die Antragstellerin gem. § 114 Abs. 1 FamFG, die Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet (vgl. § 121 Abs. 1 ZPO). Vorliegend hat die Antragstellerin die Beiordnung von Rechtsanwältin A beantragt und somit von ihrem Wahlrecht gebraucht gemacht. Die Beiordnung ist mit Beschluss vom 01.03.2022 erfolgt.
Ein formaler Mangel, der eine Aufhebung der Beiordnungsentscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit rechtfertigen könnte, lag bei der Entscheidung über die Anwaltsbeiordnung nicht vor.
Nach § 48 Abs. 2 BRAO kann der Verfahrensbevollmächtigte beantragen, die Beiordnung aufzuheben, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen (vg...