Leitsatz (amtlich)

1.Ein Schein- oder Nichtbeschluss kann mit denselben Rechtsmitteln angefochten werden, welche gegen eine rechtlich existente Entscheidung gleichen Inhalts statthaft wäre.

2.Bei einem Beschluss, aus dem welchem die Zwangsvollstreckung stattfinden soll, muss die genaue und eindeutige Bezeichnung des Rubrums unmittelbar aus dem Text der von dem Richter unterzeichneten Urschrift ersichtlich sein.

 

Normenkette

FamFG § 113 Abs. 1 S. 2, § 117 Abs. 1-2; ZPO § 313 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Schwerte (Aktenzeichen 12 F 60/20)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwerte vom 17. März 2021 - 12 F 60/20- aufgehoben, festgestellt, dass bislang keine wirksame Endentscheidung vorliegt und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten der zweiten Instanz - an das Familiengericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.533,36 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner die Rückzahlung von UVG-Leistungen, die er in der Zeit ab Juni 2019 für die leibliche Tochter des Antragsgegners erbracht hat.

Mit dem am 17.03.2021 erlassenen Beschluss hat das Familiengericht den Antragsgegner für die Zeit vom 01.06.2019 bis zum 29.02.2020 zur Zahlung von 1.719,40 EUR sowie für die Zeit von März bis August 2020 zu einem monatlichen Unterhaltsbetrag i.H.v. 135,66 EUR, für September 2020 in Höhe von 20,00 EUR, für Oktober 2020 in Höhe von 120,00 EUR, für November und Dezember 2020 in Höhe von monatlich 135,66 EUR sowie ab Januar 2021 in Höhe von monatlich 179,00 EUR verpflichtet. Den weitergehenden Antrag hat es zurückgewiesen.

Gegen die am 19.03.2021 zugestellte Entscheidung hat der Antragsgegner mit am 16.04.2021 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese nach beantragter Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 21.06.2021 mit Schriftsatz von diesem Tage begründet.

II. Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache vorläufigen Erfolg.

1. Da das Rechtsmittel der Beschwerde auch der Beseitigung der scheinbaren Wirkungen der angegriffenen Entscheidung - dazu nachfolgend - dient, ist diese hier nach den §§ 117 Abs. 1, 2. FamFG i.V.m. den in Bezug genommenen Regelungen zum Berufungsrecht der ZPO zulässig, insbesondere ist die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt worden. Denn ein Schein- oder Nichtbeschluss kann mit denjenigen Rechtsmitteln angefochten werden, welche gegen eine rechtlich existente Entscheidung gleichen Inhalts statthaft wären (BGH FamRZ 2012, 1287; Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., 2022, vor § 300, Rn. 14).

2. Der am 17.03.2022 erlassene Beschluss des Amtsgerichts ist nichtig, weil er entgegen § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ohne volles Rubrum, also die Bezeichnung der Beteiligten, erlassen wurde. Bei einem Beschluss, aus welchem die Zwangsvollstreckung stattfinden soll, muss die genaue und eindeutige Bezeichnung des Rubrums unmittelbar aus dem Text der vom Richter unterzeichneten Urschrift ersichtlich sein. Dies ist im Hinblick auf die weitreichenden Wirkungen eines Vollstreckungstitels ein Gebot der Klarheit und Rechtssicherheit (BGH NJW 2003, 3136; OLG Düsseldorf FamRZ 2020, 530; OLG Köln, Beschluss vom 23.06.2020 - II-10 UF 60/20 -, FamRZ 2020, 1930 (Ls); OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.07.2021 - 6 UF 82/21 -, FamRZ 2022, 551 (Ls.)).

So liegt der Fall hier. Der angefochtene Beschluss enthält lediglich die Bezeichnung des Gerichts, das Datum der Entscheidung und den Namen des erkennenden Richters. Die Beteiligten des Verfahrens, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Prozessbevollmächtigten, die nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO anzugeben sind, sind gar nicht bezeichnet. Ein solcher Beschluss ist nach den Grundsätzen des sog. Schein- oder Nichturteils unbeachtlich und wirkungslos und beendet die Instanz nicht (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2020, 530; Zöller/Feskorn, a.a.O., § 38 FamFG Rn. 8).

Dem steht auch nicht entgegen, dass Hauptanwendungsfall der Schein- oder Nichturteile das Fehlen einer ordnungsgemäßen Verkündung bzw. die Zustellung oder Mitteilung eines nicht verkündeten oder von der verkündeten Entscheidung abweichenden bloßen Entwurfs ist. Denn die vorliegende Fallkonstellation, dass ein vom Richter unterschriebener ordnungsgemäß verkündeter und auch als solcher den Beteiligten zugestellter Beschluss an einem gravierenden Rubrumsfehler leidet, da dort die Beteiligten nicht aufgeführt sind, ist der Fallgestaltung eines sog. Schein- oder Nichturteils gleichzusetzen (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2020, 530; OLG Köln, Beschluss vom 23.06.2020 - II-10 UF 60/20 -, FamRZ 2020, 1930 (Ls); OLG Saarbrücken, Beschluss vom 07.07.2021 - 6 UF 82/21 -, FamRZ 2022, 551 (Ls.)).

Dieser Formfehler der Urschrift kann auch nicht durch mit vollständigem Rubrum versehene Ausfertigungen geheilt werden (vgl. BGH NJW 2003, 3136); abgesehen davon, dass auch solche hier ...

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