Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 11 O 179/85)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 16.09.1985 wird das Landgericht angewiesen, von seinen Bedenken gegen die Erfolgsaussichten der Klage Abstand zu nehmen.

 

Gründe

Die Antragstellerin ist die am 18.09.1981 geborene nicht eheliche Tochter des am 07.11.1981 tödlich verunglückten … (Erblasser). Auf die unter dem 23.02.1982 anhängig gemachte Klage stellte das zuständige Kreisgericht … mit Urteil vom 13.10.1983 die Vaterschaft des Erblassers fest.

Die Antragsgegner sind die Kinder des Erblassers aus dessen geschiedener Ehe.

Mit dem beim Landgericht Münster am 20.03.1985 eingegangenen Antrag bittet die Antragstellerin um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zur Verfolgung ihrer Erbersatzansprüche nach dem Erblasser und der zur selben Zeit tödlich mitverunglückten Mutter des Erblassers.

Das Landgericht hat das Prozeßkostenhilfegesuch zurückgewiesen und ausgeführt, etwaige Erbersatzansprüche der Antragstellerin seien gem. § 1934 b Abs. 2 S. 2 BGB verjährt. Der gesetzliche Vertreter der Antragstellerin, das zuständige Jugendamt, habe unmittelbar nach dem tödlichen Verkehrsunfall vom 07.11.1981 Kenntnis von dem Erbfall erlangt. Das Amt habe darüber hinaus spätestens am 23.02.1982 mit Zustellung des Antrages auf Feststellung der Vaterschaft beim Kreisgericht … Kenntnis der Umstände gehabt, aus denen sich das Bestehen des Erbersatzanspruches ergebe. Die Kenntnis der Abstammung und der Familienverhältnisse reichten nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes aus, ohne daß die Vaterschaft zu diesem Zeitpunkt bereits anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sein müsse.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragsteller in ist begründet.

Es erscheint bereits zweifelhaft, ob dem Landgericht darin zu folgen ist, daß es zur Kenntnis von den Umständen, aus denen sich das Bestehen des Anspruchs ergibt, ausreicht, wenn Tatsachen bekannt sind, aus denen sich die Abstammung und die Familienverhältnisse ergeben (vgl. Palandt-Edenhofer, 44. Aufl., Anm. 1 c zu § 1934 a; Soergel-Stein, 11. Aufl., Am. 17 zu § 1934 b; Odersky, Kommentar zum Nichtehelichen Gesetz, 4. Aufl., § 1934 b Anm. V 3 c). Vielmehr dürfte viel dafür sprechen, daß für den Verjährungsbeginn nicht die Kenntnis der natürlichen Vaterschaft oder der Vermutungsvoraussetzungen nach § 1600 o Abs. 2 ausreicht, sondern stets nur auf die Kenntnis der Anerkennung oder der rechtskräftigen Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft abzustellen ist (vgl. Münchener Kommentar – Leipold, § 1934 c Rdn. 44, Staudinger – Werner, 12. Aufl. § 1934 b Randziff. 34).

Die Entscheidung dieser Streitfrage kann vorliegend jedoch dahinstehen, da der Lauf der Verjährung des Erbersatzanspruches für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens auf Feststellung der Vaterschaft des Erblassers gem. §§ 202, 205 BGB gehemmt war (vgl. Odersky, a.a.O. § 1934 b, Anm. V 3 c). Vor Anerkennung oder rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft kann der Erbersatzanspruch gem. § 1600 a S. 2 BGB nicht geltend gemacht werden. Hiervon will § 1934 c Abs. 1 S. 2 BGB keine Ausnahme machen, sondern nur den Kreis der erbersatzberechtigten nichtehelichen Kinder über § 1934 a BGB hinaus erweitern. Für die Geltendmachung des Erbersatzanspruches ist jedoch auch in den Sonderfällen des § 1934 c Abs. 1 S. 2 vorausgesetzt, daß der Verstorbene als Vater des nichtehelichen Kindes rechtskräftig festgestellt ist. Bis zur gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft kommen lediglich Maßnahmen des Nachlaßgerichtes nach § 1960 Abs. 1 S. 2 in Betracht (vgl. Palandt/Edenhofer, a.a.O. § 1934 c Anm. 2 c a. E.; Palandt/Diederichsen, a.a.O. § 1600 o Anm. 4). Vorliegend durfte der gesetzliche Vertreter der Antragstellerin zumindest den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens auf Feststellung der Vaterschaft des Erblassers abwarten. Bis zur Vorlage des Statusurteils waren die Antragsgegner berechtigt gewesen, etwaige von der Antragstellerin bereits geltend gemachte Erbersatzansprüche zu verweigern. Gem. § 202 Abs. 1 BGB war der Lauf der Verjährung des Erbersatzanspruches bis zur Vorlage des Statusurteils für mehr als ein Jahr gehemmt. Das unter dem 20.03.1985 beim zuständigen Landgericht Münster eingehende Prozeßkostenhilfegesuch der Antragstellerin ist eindeutig in nicht verjährter Zeit eingegangen. Die Einrede der Verjährung kann der Antragstellerin nicht entgegen gehalten werden.

In welcher Höhe die Antragstellerin Erbersatzansprüche gegenüber den Antragsgegnern im Wege der Prozeßkostenhilfe geltend machen kann, bleibt der Entscheidung des Landgerichts vorbehalten.

 

Unterschriften

Hartwig, Wangard, Lütgens

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1780407

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